Page 19 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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               Das Inertialsystem vor dem Forum der Naturforschung.   7

     Definitionen« bei Erläuterung der Definitionen  selbst,  d. h. an der-
     jenigen Stelle, wo das Interesse an diesen Dingen den Gipfelpunkt
     erreicht, gänzlich unbesprochen  lässt, und  dass er bei den Erörte-
     rungen über das Newton 'sehe Trägheitsgesetz   die Frage des Be-
     zugssystems mit keinem Wort berührt 12).  Das »Scholium« überhaupt
     in dem ganzen Buche unerwähnt zu lassen, ging nicht gut an, und
                                          i^)
     so finden wir an einer früheren Stelle  die seiner Bedeutung ganz
     und gar nicht gerecht werdende Bemerkung: >Newton hat in erster
     Linie dazu beigetragen, die G-alilei'sche Mechanik in sich consequent
     auszugestalten;  hierhin möchte ich einen Theil der im Anschluss an
     seine Definitionen, mit denen er seine Principien beginnt, unter der
     Ueberschrift  »Scholium«  gegebenen Auseinandersetzungen rechnen
     über: Tempus absolutum vel relativum, Spatium absolutum vel rela-
     tivum  .  . .«  In eine wirkliche kritische Erörterung dieser Newton-
     schen Begriffe und in eine deutliche Erklärung, welchen Theil der
     New ton 'sehen Darlegungen er als wesentlich und beibehaltenswerth
      ansieht,  tritt Volkmann auch hier gar nicht ein.  Erst gegen den
      Schluss  des Buches  '  3)  wird  er  ein wenig  deutHcher:  »Als  die
      postulirenden G-rundbegriffe des Newton'schen Systems, die hier«
      (nämlich in  der Geophysik)  >von  anderer Seite  eine  rückwirkende
      Verfestigung finden, wären die Begriffe von der absoluten Orientirung
      in Baum und Zeit hervorzuheben. Wir sind nun einmal mit unseren
      Beobachtungen und Messungen auf    die Erde angewiesen, und wir
      haben uns in Folge dessen zu vergegenwärtigen, dass beim Auf- und
      Ausbau unseres wissenschaftlichen Systems gerade durch unseren geo-
      centrischen Standpunkt praktische Schwierigkeiten entstehen können.
      Es gibt« — Begründung dieser Behauptung fehlt — »keinen anderen
      Weg,  diese Schwierigkeiten  zu  überwanden,  als  den durch unsere
      Theorien gegebenen, welche uns den absoluten Standpunkt anweisen,
      den praktisch einzunehmen uns ein für alle Mal versagt ist, dessen
      nothwendige Existenz wir aber ungeachtet uns   vielleicht vorgewor-
      fener metaphysischer Verdächtigungen theoretisch postuliren müssen.
      Wie wohlthuend berührt nicht, verglichen mit diesen Ausführungen,
      das fast trocken vorgetragene, wenn auch dogmatisch ausgelegte Eimer-
      experiment des Altmeisters Isaac Newton!
         Das Eigenthümlichste  ist nun aber,  dass Volkmann zwar sich
      von  der  > absoluten  Zeit«  in  der That  nicht  emancipirt  hat^*),
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