Page 21 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Das Inertialsystem vor dem Forum der Naturforschung. 9
Anwendung nicht neu ist, gebe ich gern zu. Seiner Richtigkeit
und Bedeutung dürfte dieses mein Zugeständniss schwerlich irgend
welchen Abbruch thun.
Zum Schluss dieser Polemik möchte ich ausdrückhch hervorheben,
dass ich, ebenso vde Mach, manchen sonstigen Ausführungen Yolk-
mann's, und insbesondere seiner Kritik der Hertz 'sehen Formulirung
des Trägheitssatzes ^^) vollkommen beistimmen kann. Trotz der gegen-
theihgen Behauptung Yolkmann's20) muss ich allerdings nach wie
vor auf dem Standpunkt verharren, den mir nicht aus der Ueber-
setzung, sondern aus der Urschrift wohlbekannten Verfasser der
»mathematischen Principien der Naturphilosophie« auch fernerhin zu
den gelegentlichen Metaphysikern zu zählen. Für diesen Hang
zum Mysteriösen legen nicht nur die den letzten Lebensjahren des
großen Briten entstammenden theologischen Schriften 21), sondern auch
das Scholium zu den Definitionen und die letzten drei Seiten der im
Jahre 1713 erschienenen zweiten Auflage der »Principien« ein be-
redtes Zeugniss ab. Das aber ist das Bewunderungswürdigste an der
Newton 'sehen Grundlegung der Mechanik, dass sie, weit entfernt,
von dem Sturz der Newton'schen Mystik in iliren Grundfesten er-
schüttert zu werden, mit unverminderter Kraft und Frische auf den
Trümmern weiterbesteht. Wie Alles, hat auch diese Thatsache ihren
guten Grund. Nicht New ton 's metaphysische Postiüate des absoluten
Raumes und der absoluten Zeit sind das Unsterbliche an seiner Lebens-
arbeit, sondern der über jede, auch über die erkenntnisstheoretisch
verbrämte Metaphysik hoch erhabene nüchtern-realistische Wahr-
heitskern seiner Grundlegungen, den auf Jahrhunderte hinaus so
leicht keine KJritik aus dem Sattel heben wird. Diesen Wahrheits-
kem bildet die durch das Zusammenwirken von Empirie und Rech-
nung tausendfältig bestätigte und bislang noch nie Lügen gestrafte
Annahme, wonach es für sich selbst überlassene Punkte in beliebig
großer Anzahl zutrifft, dass ein System sich construiren lässt,
worin sie alle geradlinig fortschreiten; während für rein phoronomische
Punktsysteme diese Constructionsmöghchkeit allgemein nui' bis zur
ist. — —
Dreizahl vorhanden
Wenn ich auf die Auseinandersetzungen Volkmann's so ausführ-
lich und mit so ausgesprochen polemischer Tendenz eingegangen bin,
so geschah dies aus dem Grunde, weil ich in dem genannten Autor