Page 26 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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1^                        Ludwig Lange.

       ist vollkommen genügend , um  z. B. die  schiefe Ebene oder Rad und Welle zu
       besprechen.  Sobald wir aber dazu übergehen,  die Probleme der theoretischen
       Astronomie zu behandeln,  so leuchtet sofort ein,  dass wir mit Bezug auf jene
       Axen eine Gültigkeit der Gesetze nicht annehmen dürfen; und so drängt sich
       unserer Beachtung die Frage  auf: Mit Bezug auf welche Axen müssen  sie  als
       gültig betrachtet werden? Und diese Frage fordert, nachdem sie einmal gestellt
       ist, unbedingt  eine Beantwortung.  Der  kritische Student, welcher bei seinen
       phoronomischen Studien (study of kinematics) gesehen hat, dass Geschwindigkeit
       und Beschleunigung relative Begriffe sind, ward durch Professor Lodge's »schel-
       tende oder vielleicht höfliche Epitheta« nicht überzeugt werden, dass  diese Be-
       griffe ihre Relativität verlieren, sobald sie auf die Bewegung wirklicher Körper an-
       gewandt werden.
          Wenden wir uns nun zum zweiten Punkt der Kritik,  so leuchtet ein, dass
       allerdings Demjenigen, welcher annimmt, es handele sich um die nähere Bestim-
       mung von Axen, vermittelst deren die Größe und Richtung der Geschwindigkeiten
       in absoluter Weise sollen beschrieben werden können 32), die Schwierigkeiten der
       gestellten Aufgabe unüberwindlich scheinen müssen 33).  In diesem Falle erhebei\
       sich eben diejenigen Schwierigkeiten, welche der Lösung bei jeder unbegreiflichen
       Problemstellung innewohnen.  Dass das gegenwärtige Problem erst neuerdings in
       Angriff genommen worden ist, liegt gar nicht so sehr an seiner Schwierigkeit, als
       vielmehr an der Thatsache, dass die Nothwendigkeit seiner Lösung erst seit der
       vollen Erkenntniss von der relativen Wesenheit der Geschwindigkeit und Be-
       schleunigung  (ob gleichförmig oder veränderlich)  offenbar geworden  ist.  Dass
       gleichwohl Schwierigkeiten vorhanden sind, erhellt schon daraus, dass nur einige
       wenige von den angewandten Methoden gründlich zu sein scheinen, und dass eine
       Anzahl von Autoren das Problem zwar in Angriff genommen,  es aber halb ge-
      löst wieder verlassen haben 34).  Welcher Art jene Schwierigkeiten sind, kann am
      besten durch eine Skizzirung der Anstrengungen dargethan werden, welche man
       zu ihrer Bewältigung gemacht hat.
          Wie es scheint, kommen nur zwei legitime Wege zur Auffindung dynamischer
      Bezugssysteme in Betracht, nämlich  :  1) Nachprüfung der Beobachtungsergebnisse,
       zu deren Ableitung die Bewegungsgesetze ausgesprochen wurden, und eventuell
       Neuformulirung  dieser Gesetze.  2, Der Weg, dass man ausgeht von der An-
      nahme, da einmal die Bewegungsgesetze in ihrer unbestimmten Form zum Ueber-
       fluss geprüft worden sind von Leuten, die durch eine Art von dynamischem Li-
       stinct befähigt waren, einen richtigen Gebrauch von ihnen zu machen, so müssen
       wohl Axen vorhanden sein, in Bezug auf w^elche sie gelten  ; und dass man dann
       dazu übergeht, diese Axen mit Hilfe der Gesetze selber zu bestimmen.
          Die  erste, historisch -kritische Methode  ist die von Professor Mach ange-
       wandte35).  Er zeigt, wie Galilei die Gültigkeit des ersten Gesetzes hinsichtlich
       fester Punkte im Erdkörper beobachtete, — eine Gültigkeit, welche  für kurz
                                                               zutrifft, —
       dauernde und wenig ausgedehnte Bewegungen an der Erdoberfläche
       und wie Newton, als er das Gesetz auf Körperbewegungen im Weltraum anzu-
       wenden in die Lage kam, es verallgemeinerte durch den Nachweis, dass, soweit
       sich entscheiden  ließ,  es für Planetenbewegungen in Bezug  auf die weit ab-
       stehenden und allem Anschein nach relativ festen Himmelskörper in Geltung stand.
       Und er hält dafür, dass das erste Gesetz, wenn sein räumlicher Theil aut die Fix-
       sterne, und sein zeitlicher Theil auf den »Drehungswinkel der Erde« bezogen
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