Page 65 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Das Inertialsystem vor dem Forum der Naturforschung.  53
     von Mac Gregor und mir verfochtenen Begriffsbildung, dass     sie
     methodologisch ein für alle Mal die Richtung anzeigt, wo auf jeder
     bereits erreichten Stufe der physikalischen bezw. astronomischen Er-
     kenntniss der praktische Fortschritt zu höherer,  d. h.  einem um-
     fassenderen Complex bewegter Körper gerecht werdender Präcision
     zu suchen  ist^^).  Die Unmöglichkeit,  aus den Web er 'sehen Vor-
     schlägen irgendwelchen Vortheil für die praktische Construction von
     Bezugssystemen zu ziehen, würde meines Erachtens selbst dann ihre
     Einführung in die Principien der Mechanik ausschließen, wenn  sie
     in theoretischer Strenge das leistete, was sie zu leisten vorgiebt, näm-
     lich eine Ersetzung des Newton 'sehen »absoluten Raumes«.
        Im Anschlüsse hieran möchte ich noch erwähnen, dass ich den
     von "Weber in seiner Definition angewandten Ausdruck    »lebendige
     Kraft« bisher absichtHch vennieden habe.  Die »lebendige Kraft«  ist,
     streng genommen, kein phoronomischer, sondern ein durch und durch
     dynamischer Begriff, der die Bezugnahme auf irgend ein Inertialsystem
     voraussetzt.  Es ist nicht das geringste dagegen einzuwenden, wenn
     Jemand   die ungeheuren phoronomischen G-eschwindigkeiten , welche
     die Fixsterne in Bezug auf den Erdraum besitzen, mit v bezeichnet,
     und in diesem Sinne von einer ^{^mv^) des Universums redet.  Dieser
     Ausdruck bezeichnet dann aber nichts weniger, als eine echte (kine-
     tische) Energiesumme, er hat vielmehr den Charakter einer Pseudo-
     Energie.  So unzweifelhaft  es  nämlich  zutrifft, dass  die  lebendige
     Ki-aft eines Massencomplexes nichts absolutes  ist,  sondern  je nach
     demjenigen  der  unzähligen möglichen Inertialsysteme,  welches  wir
     gerade der Betrachtung zu Grunde legen, einen ganz verschiedenen
     "Werth besitzt,  so stimmt doch nur die auf irgend ein Inertial-
     system bezogene   2(^??^^•2)  begi'ifflich mit demjenigen überein, was
     die Dynamik  als  »lebendige Kraft«  bezeichnet; und nur für die so
     verstandene lebendige Kraft gilt auch der Satz von der »Erhaltung
     der Energie«.  Man kann mithin das Weber'sche System      jederzeit
     kleinster ^l^mv"^) nicht  als  ein  solches bezeichnen, in welchem die
     »lebendige Ki-aft«  des "Weltalls  ein Minimum werde; denn weder in
     jenem System   selbst,  noch  vor allem  in den zum Vergleich der
     Werthe 2{-^mv^) herangezogenen, dagegen rotirenden Systemen hat der
                                                                    —
     Ausdruck die Bedeutung einer echten (kinetischen) Energiesumme.
     Im Zusammenhang hiermit muss noch das Nachfolgende gesagt werden.
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