Page 71 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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positiven Eigenschaften geriet der Dinkel im 20. Jahrhundert in Vergessenheit und wurde vom
ertragreichen Weizen von den Feldern verdrängt. Dinkelkörner werden zwar fast doppelt so groß wie
Weizenkörner, aber Dinkel wächst auf der Ähre nur zweizeilig, Weizen dagegen vierzeilig. Zudem ist
der Ernteertrag beim Dinkel schwankend und die brüchige Ährenspindel erschwert die Ernte.
Das Sprichwort „Wer in Dinkel fällt, kommt staubig heraus“ beinhaltet ein Wortspiel: Es geht nicht
ums Getreide, sondern um den Dünkel. Und den kann man dem Dinkel nicht unterstellen: Die Pflanze,
die fast 1,50 Meter hoch wird, stellt geringe Ansprüche an Boden oder Klima. Sie wächst auf kargen
Böden und in Höhenlagen bis 1.500 Metern und toleriert auch extreme Wetterbedingungen. Dinkel ist
nicht nur anspruchslos, er ist auch unbestechlich: Der Ernteertrag lässt sich durch Kunstdünger kaum
steigern, das Getreide ist für die konventionelle Intensivlandwirtschaft daher ungeeignet. Dies führte
dazu, dass Dinkel von Zuchtversuchen weitgehend verschont blieb und sich die ursprüngliche Kraft
seiner alten Stammsorten, zu denen Oberkulmer Rotkorn, Ebner-Rotkorn, Frankenkorn,
Schwabenkorn und Ostro gehören, bis heute erhalten konnte.
Dinkel enthält einen hohen Kleberanteil, sein Mehl verfügt also über ausgezeichnete Backqualitäten
und eignet sich bestens zur Herstellung von Brot und von feinen Backwaren, denen es einen nussigen
Geschmack verleiht. Erntet man Dinkel im Zustand der Milchreife, spricht man von Grünkern.
Die Spelzen umschließen die Frucht des Dinkels so fest, dass sie nicht durch Dreschen gelöst werden können.