Page 79 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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HIRSE
Es begann mit einem Apfel und endete mit den folgenschweren Worten: „Im Schweiße deines
Angesichts sollst du dein Brot essen.“ Gott sprach’s, und der Mensch musste sich von nun an plagen
und sehnte sich nach einem Ort, wo er nicht nur ohne Arbeit satt werden konnte, sondern auch noch
Köstlichkeiten zu essen bekam, die auf Erden ganz wenigen vorbehalten waren. Im deutschsprachigen
Raum heißt dieser Ort Schlaraffenland. Und er ist relativ einfach zu betreten. Man muss kein Held sein
und Drachen töten oder kryptische Fragen beantworten, es genügt, so schreibt Hans Sachs im
16. Jahrhundert, sich durch einen „Berg mit Hirßbrey“ zu essen.
Eine angenehme Aufgabe, die allerdings auch ihre Tücken hat: Der Name Hirse geht etymologisch
auf ein indogermanisches Wort für „Sättigung, Nahrung“ zurück. Den Berg zu überwinden gelang
also nur dem Vielfraß. Hirse macht nicht nur satt, sie ist mineralstoffreich und enthält besonders viel
Silizium, Eisen und Vitamin B6.
Wie Hafer und Buchweizen gehörte Hirse zu den Arme-Leute-Speisen. Vermutlich wurde sie in
Europa schon vor Roggen und Weizen angebaut. Die frühe Geschichte ist nicht ganz geklärt,
Wissenschaftler zählen sie nicht zu den Urkulturpflanzen, aber Heinrich Eduard Jacob, der Autor des
Standardwerks „6000 Jahre Brot“, vermutet, dass Hirse die älteste Getreidesorte des Menschen ist:
„Der älteste Bruder dürfte wahrscheinlich ‚Vater Hirse‘ gewesen sein, der lange vor der Erfindung