Page 192 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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168 2 Teil: Internationale Haftungsregelungen
der Beitragsrate für die Vereinten Nationen des jeweiligen Staates für das Jahr vor
dem nuklearen Ereignis und der Summe der UN-Beitragssätze aller Vertragspar-
teien zu 10 % des nach dem ersten Faktor berechneten Betrags. 7
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Die UN-Beitragsrate, die ähnlich dem Bruttosozialprodukt berechnet wird, 7
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darf also nur 10 % des auf der Grundlage der installierten nuklearen Leistung
errechneten Wertes betragen, so dass 90 % des Beitragssatzes auf der Grundlage
des von dem jeweiligen Staat gesetzten nuklearen Risikos berechnet werden und
dadurch das Risikoelement stärker als nach dem Brüsseler Zusatzübereinkommen
betont wird.
Zur Ermittlung der installierten nuklearen Leistung muss jede Vertragspartei
eine Liste über vorhandene Kernanlagen führen, die dem Depositar bei der Ratifi-
zierung bzw. dem Beitritt mitzuteilen ist. 7 Staaten, die über keine Kernreaktoren
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verfügen, sind von der Beitragspflicht in den kollektiven Fonds befreit. 7
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Für Staaten mit hoher Nuklearkapazität, die nicht an der Verursachung des nukle-
aren Ereignisses beteiligt gewesen sind, wurde eine Deckelung der Beiträge
(„cap“) eingeführt. 7 Tatsächlich kann diese Cap-Regelung wohl nur für die bei-
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den größten Nuklearstaaten, nämlich die USA und Frankreich, relevant werden. 7
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3. Aufteilung der internationalen Mittel
Das Entschädigungsübereinkommen unterscheidet hinsichtlich der Aufteilung der
internationalen Mittel aus dem kollektiven Fonds zwischen Schäden im Anlage-
staat und Schäden außerhalb dieses Staates. 7 Nach Art. XI EU sollen 50 % der
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Mittel aus dem kollektiven Fonds für Schäden innerhalb und außerhalb des Anla-
gestaates gleichermaßen verteilt werden. Die anderen 50 % stehen bei weiterem
Entschädigungsbedarf ausschließlich für Schäden außerhalb des Anlagestaates zur
Verfügung. Für Nichtnuklearstaaten ist der Beitritt zum Entschädigungs-
übereinkommen somit in zweifacher Hinsicht reizvoll, da sie nicht in den kollekti-
ven Fonds einzahlen müssen, aber gleichzeitig nukleare Schäden in ihrem Ho-
heitsgebiet bevorzugt befriedigt werden.
Sieht ein Vertragsstaat nationale Entschädigungsmittel in Höhe von
600 Millionen SZR vor, werden ausnahmsweise die gesamten Mittel des kollekti-
ven Fonds ohne Unterscheidung für die Entschädigung nuklearer Schäden im In-
752 Art. IV Abs. 1 lit. a) i) EÜ.
753 Art. IV Abs. 1 lit. a) ii) EÜ.
754 Pelzer, atw 1998, 391 (395).
755 Art. VIII EÜ.
756 Art. IV Abs. 1 lit. b) EÜ.
757 Der Höchstbetrag, der von einem Staat pro nukleares Ereignis erhoben werden darf, darf einen
bestimmten Prozentsatz der Gesamtbeiträge aller Vertragsstaaten nicht überschreiten. Einzelhei-
ten sind in Art. IV Abs. 1 lit. c) EÜ geregelt.
758 Pelzer, atw 1998, 391 (395).
759 Ausführlich zu den Hintergründen dieser Regelung Pelzer, atw 1998, 391 (394).