Page 194 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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170                                   2 Teil: Internationale Haftungsregelungen

                        inhaber und  Schiffseigentümer für  nukleare Schäden beim Seetransport von
                                           770
                        Kernmaterial beseitigt. 7
                           Die Haftungsbefreiung für den Reeder gilt nach Art. 2 Abs. 1 BSÜ auch für
                        sogenannte „on-site damages“ (Schäden an der Kernanlage selbst, an Sachen auf
                        dem Gelände und an dem Beförderungsmittel), obwohl auch der Anlageninhaber
                                                 771
                        für diese Schäden nicht haftet 7 . Die Haftung einer natürlichen in Schädigungsab-
                        sicht  handelnden Person sowie die Haftung des Inhabers eines Reaktorschiffs
                        bleiben dagegen nach Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 BSÜ unberührt.
                           Art. 4  BSÜ bestimmt schließlich, dass das Brüsseler  Seetransport-
                        Übereinkommen  allen zeitlich vorangehenden internationalen Übereinkommen
                        über die Beförderung auf See vorgeht. 7
                                                        772



                        VI. Übereinkommen über die Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen vom
                        25. Mai 1962

                        Das am 25. Mai 1962 in Brüssel verabschiedete „Übereinkommen über die Haf-
                        tung der Inhaber von  Reaktorschiffen“ 7  regelt die  Haftung für Schäden, die
                                                           773
                        durch ein nukleares Ereignis verursacht worden sind, das auf Kernbrennstoffe des
                        Reaktorschiffes oder auf dem Schiff erzeugte radioaktive Erzeugnisse oder Abfälle
                        zurückzuführen ist. 7  Das  Übereinkommen regelt somit  nicht die Haftung  für
                                         774
                        den Transport von Kernmaterialien und wird daher hier ähnlich wie das Bunker-
                        ölübereinkommen nur zu Abgrenzungszwecken erwähnt.
                           Ziel des Reaktorschiff-Übereinkommens ist es, die Haftungslücke für Reakto-
                        ren, die Teil eines Beförderungsmittels sind, zu schließen, da die bisher behandel-
                        ten atomrechtlichen Übereinkommen diese Haftung ausdrücklich von ihrem An-
                        wendungsbereich ausschließen. In seinem Aufbau folgt das  Reaktorschiff-
                        Übereinkommen im Wesentlichen den Grundsätzen des Pariser Übereinkommens
                        (auf den Inhaber kanalisierte, verschuldensunabhängige Haftung, summenmäßige
                        Haftungsbeschränkung, Versicherungspflicht). 7
                                                               775

                        770  Feldhaus, Zur Entwicklung der Haftung beim Seetransport gefährlicher Güter, S. 102.
                        771  Art. IV Abs. 5 WÜ 1963. Nach Art. 3 lit. a) ii) 1) und 2) PÜ 1982 ist allerdings die Haftung des
                           Anlageninhabers für Schäden am Beförderungsmittel grundsätzlich nicht ausgeschlossen, siehe
                           2. Teil F II 2 f) aa) (2).
                        772  Kritisch dazu Feldhaus, Zur Entwicklung der Haftung beim Seetransport gefährlicher Güter,
                           S. 104 f. m.w.N.
                        773  Das Übereinkommen ist abgedruckt in BGBl. 1975 II, 957, 977 ff.
                        774  Art. II Abs. 1 Reaktorschiff-Übereinkommen (RSÜ). Reaktorschiffe sind nach Art. I Abs. 1 RSÜ
                           Schiffe, die mit einer Kernenergieanlage ausgerüstet ist. Es handelt sich also um atomgetriebene
                           Schiffe.
                        775  Einen Überblick über die Haftungsbestimmungen gibt Hoche, S. 33 ff. Abweichend vom Pariser
                           Übereinkommen muss nach Art. XI RSÜ ein Haftungsbeschränkungsfonds für den Fall einge-
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