Page 189 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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2 Teil: Internationale Haftungsregelungen 165
IV. Wiener Übereinkommen vom 12. September 1997 zur Bereitstellung zusätzli-
cher Entschädigungsmittel für nukleare Schäden
Das am 12. September 1997 in Wien verabschiedete „Übereinkommen zur Bereit-
stellung zusätzlicher Entschädigungsmittel für nukleare Schäden“ 7 verfolgt das
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Ziel, ergänzend zum Wiener Übereinkommen, Pariser Übereinkommen und den
nationalen Atomhaftungsgesetzen weitere Entschädigungsmittel auf der Grundla-
ge internationaler Solidarität durch die Vertragsstaaten bereitzustellen. Es regelt
somit nicht selbst, wer für durch ein nukleares Ereignis verursachte Schäden haf-
tet, sondern verweist auf die Bestimmungen der internationalen Atomhaftungs-
übereinkommen bzw. die nationalen Atomhaftungsgesetze. 7
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Das Entschädigungsübereinkommen von 1997 ist als weltweit geltendes Ent-
schädigungssystem konzipiert, 7 denn es steht nicht nur Vertragsstaaten des Pari-
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ser Übereinkommens und des Wiener Übereinkommens offen, sondern auch
anderen Staaten, deren nationales Atomhaftungsrecht allerdings den Bestimmun-
gen des Anhangs entsprechen muss (Basisübereinkommen). 7 Das Übereinkom-
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men besteht aus zwei Teilen: dem eigentlichen Übereinkommenstext und dem
Anhang zum Übereinkommen, der jedoch nach Art. II Abs. 3 EÜ einen integralen
Bestandteil des Übereinkommens bildet. Die elf Artikel des Anhangs stimmen
größtenteils wörtlich mit denen des Wiener Übereinkommens von 1963 überein,
wobei auch die durch das Zusatzprotokoll von 1997 erfolgten Änderungen zum
Teil übernommen wurden, so dass der Anhang die wesentlichen Haftungsgrund-
sätze des Wiener Übereinkommens enthält. 7 Die Forderung, dass das nationale
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Recht eines Beitrittsstaates mit den Bestimmungen des Anhangs übereinstimmen
muss, bewirkt also, dass die nationalen Atomhaftungsgesetzgebungen in den we-
sentlichen Grundsätzen mit dem Wiener und damit auch dem Pariser Überein-
kommen übereinstimmen. Der Anhang ersetzt somit die fehlende Mitgliedschaft
zum Wiener oder Pariser Übereinkommen und bewirkt letztlich eine gewisse
Harmonisierung der nationalen Rechtsordnungen. 7 Auslöser für diese Konstruk-
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730 Convention on Supplementary Compensation for Nuclear Damage. Im Folgenden „Entschädi-
gungsübereinkommen 1997” genannt, abgekürzt “EÜ”. Authentische Textfassungen sind nach
Art. XXVII die arabische, chinesische, englische, französische, russische und spanische.
Der englische Text des Übereinkommens kann abgerufen werden unter:
http://www.iaea.org/Publications/Documents/Conventions/supcomp.html (Stand:
08.08.2010).
731 Vgl. Art. II Abs. 2 EÜ.
732 Es wird auch als „Free-Standing Convention“ bezeichnet, da es weder akzessorisch zum Pariser
noch zum Wiener Übereinkommen ist.
733 Vgl. Art. XVIII Abs. 1 und Art. XIX Abs. 1 EÜ 1997. Diese drei Haftungsregime werden im
Zusammenhang mit dem Entschädigungsübereinkommen auch als Basisübereinkommen be-
zeichnet.
734 Ausführlich Kissich, S. 90 ff.
735 Hinteregger/Kissich, AtomHG 1999, S. 41 Rn. 64.