Page 187 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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2 Teil: Internationale Haftungsregelungen 163
gelung über den räumlichen Anwendungsbereich, erweitert den Schadensbegriff,
erhöht die Mindesthaftungsbeträge, bestimmt vor dem Hintergrund des Kon-
gruenzgrundsatzes von Haftung und Deckung eine Mindestdeckungssumme und
verlängert die Ausschlussfrist für Personenschäden. Die Grundstruktur des Wie-
ner Übereinkommens 1963 ist jedoch unverändert geblieben; dessen nicht geän-
derte Bestimmungen gelten also weiter, so dass nur die Neuerungen des Zusatz-
protokolls von 1997 dargestellt werden.
Der durch das Protokoll beträchtlich erweiterte Schadensbegriff umfasst nun-
mehr nicht nur die durch eine im Übereinkommen konkretisierte 7 radioaktive
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Strahlung verursachte Personen- und Sachschäden, sondern auch daraus entste-
hende wirtschaftliche Verluste, Kosten von tatsächlich ergriffenen Maßnahmen
zur Wiederherstellung erheblich beschädigter Umwelt, Einkommensverluste aus
einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse an der Nutzung oder dem Genuss
der geschädigten Umwelt, Kosten für Präventivmaßnahmen und anderer Verlust
oder Schaden infolge solcher Maßnahmen sowie sonstige wirtschaftliche Verluste,
die nicht Folge einer Umweltbeeinträchtigung sind, und vom Recht des zuständi-
gen Gerichtsstaates zugelassen sind. 7 Bis auf die Personen- und Sachschäden
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bleibt es jedoch ausdrücklich den Vertragsstaaten überlassen, in welchem Ausmaß
die übrigen aufgezählten Schäden ersetzt werden. 7 Durch diese großzügige Er-
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mächtigung der Vertragsstaaten wird der erweiterte Schadensbegriff wieder stark
eingeschränkt. 7 Art, Form und Umfang des Schadenersatzes sowie dessen ge-
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rechte Verteilung bestimmen sich wie bisher nach dem innerstaatlichen Recht des
zuständigen Gerichts. 7 In Art. VII wurde jedoch ein neuer Abs. 2 eingefügt, der
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für den Fall, dass die Schäden die zur Verfügung stehende Entschädigungssumme
übersteigen, bestimmt, dass Personenschäden vorrangig zu befriedigen sind.
Die Mindesthaftungssumme für jedes nukleare Ereignis wurde auf
300 Millionen SZR 7 angehoben. 7 Der Anlagenstaat kann die Haftung des An-
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lageninhabers entweder auf mindestens 300 Millionen SZR festsetzen oder dessen
Haftung auf 150 Millionen SZR reduzieren, wenn er für die andere Hälfte öffent-
liche Mittel zur Entschädigung bereitstellt. 7 Das Zusatzprotokoll von 1997 führt
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715 Art. I lit. k) letzter Satz WÜ 1997.
716 Art. I Abs. 1 lit. k) WÜ 1997. Siehe Ausführungen zum Schadensbegriff des Pariser Überein-
kommens von 2004, 2. Teil F II 2 f) bb). Zum Schadensbegriff des Wiener Übereinkommen
1997 ausführlich Kissich, S. 95 ff.
717 Art. I Abs. 1 lit. k) WÜ 1997.
718 Hinteregger/Kissich, AtomHG 1999, S. 30 Rn. 46.
719 Art. VIII Abs. 1 WÜ 1997.
720 Die alte Rechnungseinheit des US-Dollars wurde durch das flexible Sonderziehungsrecht des
Internationalen Währungsfonds ersetzt, vgl. Art. I Abs. 1 lit. p) WÜ 1997.
721 Art. V Abs. 1 WÜ 1997. Ausführlich Kissich, S. 98 ff.
722 Art. V Abs. 1 lit. a) und b) WÜ 1997.