Page 184 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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                        legten wechselseitigen Haftung auch Bedeutung für die Vertragsstaaten des Pariser
                        Übereinkommens. Tritt ein nukleares Ereignis im Hoheitsgebiet eines Vertrags-
                        staates des Wiener Übereinkommens ein und verursacht auch im Hoheitsgebiet
                        eines Vertragsstaates des  Pariser Übereinkommens nukleare Schäden, so haftet
                        der Anlageninhaber für die grenzüberschreitenden Schäden ausschließlich  nach
                        den Haftungsvorschriften des Wiener Übereinkommens, Art. II lit. a) Gemeinsa-
                        mes Protokoll. Insbesondere bei Nukleartransporten zwischen den westeuropäi-
                                                                      695
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                        schen 6  und angrenzenden  osteuropäischen Staaten 6 , die zugleich  auch Ver-
                        tragsstaaten des Gemeinsamen Protokolls sind, kann das Wiener Übereinkommen
                        für Schäden in den Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens zur Anwendung
                        kommen.  Da es in seinen wesentlichen Grundsätzen  dem Vorbild des Pariser
                        Übereinkommen nachgebildet ist und in erster Linie für osteuropäische, südame-
                        rikanische sowie einige afrikanischen Staaten gilt, 6  wird es  hier  nur in einem
                                                                    696
                        kurzen Überblick dargestellt. 6
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                           Das Wiener Übereinkommen 1963 ist erst am 12. Januar 1977 völkerrechtlich
                        in Kraft getreten. 6  Es steht allen Mitgliedern der Vereinten Nationen und der
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                        Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) offen. 6  Im Gegensatz zum
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                        Pariser Übereinkommen hatte das Wiener Übereinkommen von vornherein nur
                        die Errichtung eines haftungsrechtlichen Mindeststandards für nukleare Schäden
                                                                    700
                        zum Ziel, um eine weltweite Geltung zu erreichen. 6  Die Regelung der Detailfra-
                        gen ist somit den Vertragsstaaten überlassen. Auch ein dem Brüsseler Zusatzüber-
                        einkommen vergleichbares  Instrument zur Ergänzung des Wiener  Übereinkom-
                        mens gibt es nicht.
                           Nach Art. II Abs. 1 WÜ haftet der Inhaber einer Kernanlage für nukleare
                        Schäden, wenn bewiesen wird, dass diese durch ein nukleares Ereignis verursacht
                        worden sind, das in seiner Kernanlage eingetreten oder auf Kernmaterial zurück-
                        zuführen ist, welches von seiner Kernanlage aus versandt oder an dieselbe gesen-
                        det wurde. Entsprechend dem Pariser Übereinkommen haftet bei Nukleartrans-


                        693  Art. II Gemeinsames Protokoll.
                        694  Von den 15 Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens von 1982 sind folgende 10 Staaten
                           zugleich Vertragsstaaten des Gemeinsamen Protokolls von 1988: Dänemark, Deutschland, Finn-
                           land, Griechenland, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Slowenien und die Türkei.
                        695  Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien, Ukraine
                           und Ungarn sind zugleich Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens von 1963 und des Ge-
                           meinsamen Protokolls von 1988.
                        696  Es ist derzeit für 35 Vertragsstaaten in Kraft.
                           http://www.iaea.org/Publications/Documents/Conventions/liability_status.pdf (Stand:
                           08.08.2010).
                        697  Eine ausführliche Darstellung des Wiener Übereinkommens von 1963 findet sich bei Kissich,
                           S. 61 ff.; Hannak, AcP 1963, 417 ff. Zur Entstehungsgeschichte des Wiener Übereinkommens
                           Gehring/Jachtenfuchs, Haftung und Umwelt, S. 61 ff.; Kissich, S. 44 ff.
                        698  Hinteregger/Kissich, AtomHG 1999, S. 13 Rn. 14.
                        699  Art. XXIV Abs. 1 WÜ.
                        700  Vgl. Abs. 1 der Präambel; Kissich, S. 46.
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