Page 201 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen                                177

                              Für Gefahrguttransporte stellt sich zusätzlich die Frage, ob ein Schaden auch
                           dann als beim Betrieb des Kraftfahrzeugs oder des Kfz-Anhängers verursacht gilt,
                           wenn der Schaden ausschließlich auf der Gefährlichkeit der Güter beruht, ohne
                           dass sich eine verkehrsspezifische Gefahr ausgewirkt hat. Dies kann z.B. bei ei-
                           nem abgestellten Tanklastzug der Fall sein, wenn sich nur aufgrund von sommer-
                           licher Hitze die im Tanklastzug enthaltenen Gase ausdehnen bis es zu einer Exp-
                           losion kommt. 7  In derartigen Fällen, in denen sich allein die gefahrgutspezifische
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                           Gefahr realisiert, verwirklicht sich jedoch gerade nicht die Gefährlichkeit, die der
                           gewöhnliche  Betrieb eines Kraftfahrzeugs mit sich  bringt (verkehrsspezifische
                           Betriebsgefahr) und für  die der Gesetzgeber die strenge Halterhaftung des
                           § 7 StVG eingeführt hat.  Die Modifizierung der allgemeinen  Halterhaftung für
                           Gefahrguttransporte durch das 2. SchadÄndG enthält lediglich eine Erhöhung der
                           Haftungshöchstbeträge. Es wird also bei Gefahrguttransportunfällen weiterhin an
                           die allgemeine Halterhaftung angeknüpft, so dass alle haftungsbegründenden Vor-
                           aussetzungen des § 7 StVG – insbesondere auch die verkehrsspezifische Betriebs-
                           gefahr – vorliegen müssen. 7  Eine Haftung nach § 7 StVG scheidet also in Fällen,
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                           in denen sich allein die gefahrgutspezifische Gefahr realisiert hat, aus.
                              Bereits die ältere Rechtsprechung hat sich zu Fällen geäußert, die Gefahrgut-
                           transportunfällen ähnlichen Komponenten aufweisen. Ist beispielsweise durch das
                           Leck eines Tankwagens Öl auf der Straße ausgelaufen 7  oder die Straßenoberflä-
                                                                          800
                           che verkehrsgefährdend verschmutzt  worden 8 , so dass andere Fahrzeuge ins
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                           Schleudern geraten, oder ist die Ladung herab gefallen 8  und behindert den Ver-
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                           kehr oder wurde der Unfall durch die Erschütterung der Ladung hervorgerufen 8 ,
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                           hat die Rechtsprechung eine verkehrsspezifische Gefahr bejaht. Für die Bejahung
                           des Merkmals „beim Betrieb“ und damit der Halterhaftung nach § 7 StVG muss
                           somit eine verkehrsspezifische Gefahr zumindest mitursächlich geworden sein. 8
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                           In den meisten Gefahrguttransportunfällen wird sich ohnehin eine verkehrsspezi-
                           fische Gefahr mitverwirklicht haben.
                              Auch das unmittelbare Be- und Entladen der Güter als Teil der Beförderung
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                           werden vom Betriebsbegriff erfasst. 8  Ferner muss zwischen dem Kfz- oder An-

                           798  Im Fall des Tanklastzugunglücks auf dem Campingplatz „Los Alfaques“ in Spanien 1978 kam
                              noch eine verkehrsspezifische Gefahr (geplatzter Reifen) hinzu. Aber auch das bloße Abstellen
                              des überfüllten Tanklastzugs hätte zu einer Explosion führen können, da sich Propylengas
                              nachweislich bei großer Hitze ausdehnt.
                           799  Vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 33.
                           800  OLG Köln, VersR 1983, 287; OLG Düsseldorf, MDR 1968, 669 f.
                           801  BGH, NJW 1982, 2669.
                           802  LG Mainz, VersR 1974, 916; BGH, NJW 1964, 411 f.
                           803  Wussow-Baur, Unfallhaftpflichtrecht, Kap. 17 Rn. 22; vgl. RG 160, 129 (132).
                           804  So bereits zur alten Fassung des StVG auch Bremer, S. 107 f. und Stör, S. 79.
                           805  BGH, VersR 1965, 1149 (1150); BGHZ 71, 212 (215); BGH, NJW 1978, 1582 (1583); Tschernit-
                              schek, NJW 1980, 205 (208). Zur Abgrenzung zu zusätzlichen Be- und Entladearbeiten mit Hilfe
                              des Kfz Tschernitschek, NJW 1980, 205 (208); zusammenfassend Bremer, S. 109 ff.
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