Page 145 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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4.9 • Aufnahme und Austritt aus der Union
deutlich verbessert werden, damit sie neben ihrem wirtschaft-
lichen Gewicht ebenfalls ein stärkeres politisches Gewicht er-
hält.
4.9 Aufnahme und Austritt aus der Union
Gemäß Art. 49 EUV kann jeder europäische Staat, der die in
Art. 2 EUV genannten Grundsätze achtet, Aufnahme in die
Union beantragen. Der Aufnahmeantrag ist an den Rat zu rich-
ten; dieser beschließt einstimmig nach Anhörung der Kom-
mission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments,
welches mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschließt.
Die Aufnahmebedingungen und die durch eine Aufnahme
erforderlich werdenden Anpassungen der Verträge, auf denen
die Union beruht, werden durch ein Abkommen zwischen dem
Europäischen Rat und dem antragstellenden Staat geregelt. Das
Abkommen bedarf der Ratifikation durch alle Vertragsstaaten
gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften.
Der Europabegriff des Art. 49 EUV ist politisch zu sehen. Politischer Europabegriff
Die Türkei ist daher ein möglicher Beitrittsstaat, auch wenn sie
geografisch nicht ausschließlich zu Europa zählt. Ähnliches gilt
für Russland. Der Staatsbegriff ist nach der völkerrechtlichen
Drei-Elementen-Lehre zu bestimmen (dazu: Lorenzmeier, Völ-
kerrecht, 3. Aufl. 2016, Abschn. 2.3.1). Neben den geschriebe-
nen existieren noch ungeschriebene Beitrittsvoraussetzungen.
Hierzu gehören eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung
und die Übernahme des acquis communautaire, die Gesamt-
heit des primären und sekundären Unionsrechts, durch den
Beitrittsstaat. Der Beitrittsvertrag kann Ausnahmen und Über-
gangsfristen vorsehen. Beitrittsstaaten sind verpflichtet, den
völkerrechtlichen Abkommen der Gemeinschaften beizutre-
ten. Allerdings werden in der Praxis für die Übernahme des
Unionsrechts häufig äußerst detaillierte Übergangsregelungen
getroffen, die beigetretenen Staaten zeitlichen Spielraum für
die Anwendung lassen.
Neu vom VvL in den EUV aufgenommen wurde die Aus-
trittsregel des Art. 50 EUV. Bis dato war umstritten, ob ein
Staat die EU wieder verlassen kann. Nunmehr kann jeder MS
auf seinen Antrag hin aus der Union wieder austreten. Das
Austrittsverfahren ist in Abs. 2 beschrieben, der Europäische
Rat legt die Leitlinien für das vom Rat mit dem betreffenden
Staat auszuhandelnde Abkommen fest; beschlossen wird es
ebenfalls vom Rat nach Zustimmung des EP. Ab Inkrafttre-
ten des Abkommens ist der Staat als ausgetreten anzusehen,
Art. 50 III EUV. Ein ausgetretener Staat kann die Wiederauf-
nahme beantragen, Art. 50 V EUV.