Page 200 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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194 Kapitel 6 • Materielles Recht und Rechtsschutz in der EU
bestehen und dadurch eine Verfälschung eintritt. Dies zu ver-
hindern ist gerade eine der Aufgaben der Verträge.
Bewegungs- und Aufenthalts- Die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer im EU-Gebiet
2 freiheit umfasst das Recht der Ausreise aus dem Heimatland, der Ein-
reise in ein anderes Mitgliedsland und ein Verbleiberecht nach
der Beschäftigung.
Aufenthaltsrecht Wer arbeitet, muss auch wohnen: Deshalb hat der Ar-
beitnehmer das Recht, zur Ausübung einer Beschäftigung
in einen anderen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort
aufzuhalten. Eine Aufenthaltserlaubnis ist nicht nötig, aber
der Mitgliedstaat kann eine „Aufenthaltsbescheinigung“ ver-
langen. Diese ist keine Genehmigung, sondern nur eine Art
6 Registrierung.
Das Freizügigkeitsrecht enthält ferner die Möglichkeit,
sich „zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses“, sprich
zur Arbeitssuche, in anderen Staaten aufzuhalten (Royer,
Slg. 1976, 497), und zwar für mindestens drei Monate. Ein
Arbeitnehmer kann Berufsschulen und Umschulungen in
Anspruch nehmen. Das Verbleiben eines Arbeitnehmers im
Gastland nach Ende seines Beschäftigungsverhältnisses wird
durch die sog. „Verbleibe-Verordnung“ geregelt. Danach muss
der Arbeitnehmer bei Erreichen der Altersgrenze mindestens
drei Jahre im Land gearbeitet haben, und er muss innerhalb
des letzten Jahres vor der Altersgrenze noch dort gearbeitet
2 Freier Beschäftigungszugang haben.
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit beinhaltet überdies die
Begleitrechte der Arbeitneh- freie Bewerbung um Stellen, die Gleichbehandlung mit Inlän-
2 merfreizügigkeit dern bei der Bewerberauswahl und das Recht auf Teilnahme an
Berufsschulunterricht sowie Umschulungen. Eine Aufenthalts-
2 erlaubnis oder eine Arbeitserlaubnis sind nicht nötig. Verlangt
ein Mitgliedstaat diese, handelt er rechtswidrig (Sagulo, Slg.
1977, 1495).
2 Angehörigenrechte Die Familienangehörigen der Arbeitnehmerin oder des
Arbeitnehmers haben verschiedene Rechte, die dem Arbeit-
2 nehmer die Ausübung seiner Arbeit erleichtern sollen. Diese
Rechte sind von der Rechtsstellung des Arbeitnehmers abge-
2 leitet und in der VO 1612/68 niedergelegt. Angehörige sind
der/die Ehegatte/in (auch getrennt lebend, Diatta, Slg. 1985,
567), ledige Lebenspartner (Reed, Slg. 1986, 1283), Kinder,
2 die noch nicht 21 Jahre alt (Lebon, Slg. 1987, 2811) sind oder
Unterhalt vom Arbeitnehmer erhalten (Casagrande, Slg. 1974,
2 773) und Eltern (denen der Arbeitnehmer Unterhalt gewährt)
des Arbeitnehmers.
Die Staatsangehörigkeit der Familienangehörigen ist nicht
2 Staatsangehörigkeit der Ange- von Belang. Die Familienangehörigen haben ein Recht auf Zu-
hörigen ist unerheblich.
zug und Aufenthalt, sofern der Arbeitnehmer eine Wohnung