Page 235 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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          6.9  •  Die weiteren Politiken der EU


          lend ist, dass Art. 102 AEUV keine Rechtfertigungsmöglichkeit
          vorsieht; wenn ein Missbrauch vorliegt, ist das Verhalten ver-
          boten und die Rechtsfolge tritt ein.
            Die erste Voraussetzung des Art. 102 AEUV ist die markt-  Marktbeherrschende Stellung
          beherrschende Stellung. Dafür muss für das in Frage stehende
          Produkt der Markt in sachlicher und räumlicher Hinsicht um-
          schrieben werden. In sachlicher Hinsicht ist die Austausch-
          barkeit des Produkts im Hinblick auf die gleiche Verwendung
          entscheidend (Substituierbarkeit, wurde z. B. abgelehnt für Ba-
          nanen durch Äpfel, United Brands, Slg. 1978, 207). Räumlich ist
          auf das Gebiet abzustellen, in dem der Wettbewerb tatsächlich
          stattfindet, das kann auch nur ein Hafen sein (Porta di Genova,
          Slg. 1991, I-5889).
            Eine Beherrschung ist dann gegeben, wenn das Unterneh-
          men aufgrund seines Marktanteiles die Aufrechterhaltung ei-
          nes Wettbewerbes auf dem relevanten Markt verhindern kann.
          Das liegt unzweifelhaft bei einem Marktanteil von mehr als
          50 % vor (AKZO, Slg. 1991, I-3359). Wenn der Marktanteil da-
          runter liegt, ist auf Hilfskriterien abzustellen, wie der Abstand
          zum nächsten Konkurrenten (marktbeherrschende Stellung
          bei 38 % zu 9 % Marktanteil etc.). Eine kollektive Marktbeherr-
          schung kann bei Oligopolen (Airtours, Slg. 2002, II-2585) und
          vertikalen Zusammenschlüssen (Irish Sugar, Slg. 1999, II-2969)
          bestehen.
            Eine missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschen-  Missbräuchliche Ausnutzung
          den Stellung ist weiter erforderlich. Die in Art. 102 AEUV auf-
          gezählten Tatbestände sind nur Beispiele („insbesondere“) und
          nicht abschließend. Alles, was objektiv den Markt verfälscht,
          ist mithin verboten, ein subjektiver Verfälschungswille ist nicht
          erforderlich. Wichtig ist: Art. 102 AEUV verbietet nicht den
          wirtschaftlichen Erfolg, sondern nur dessen Ausnutzung für
          das Erreichen wettbewerbsfeindlicher Ziele.
            Zur zwischenstaatlichen Wirkung des Missbrauchs reicht   Geeignet zur Wettbewerbsbe-
          es aus, dass er geeignet ist, den Wettbewerb zu behindern.     hinderung
          Eine Rechtfertigungsmöglichkeit sieht Art. 102 AEUV nicht
          vor, Einschränkungen ergeben sich nur aus Art. 42 und 106 II
          AEUV. Bei Verstößen gegen die Vorschrift müsste der für
          Art.  101  AEUV entwickelte Schadensersatzanspruch auch
          gelten, da die dort entwickelten Grundsätze übertragbar sind.
          Art. 102 AEUV ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB.
          § 33 GWB gilt auch hier.
            Das Konkurrenzverhältnis zwischen Art.  101 und
          102 AEUV ist dergestalt zu lösen, dass sie nebeneinander ste-
          hen, die eine Norm verdrängt die andere also nicht.
            Ein Sonderproblem im Bereich des Wettbewerbs stellt das   Geistiges Eigentum
          sog. geistige Eigentum dar. Darunter werden Rechte verstan-
          den, die dem Inhaber dauerhaft zustehen, wie z. B. Patente,
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