Page 236 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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230 Kapitel 6 • Materielles Recht und Rechtsschutz in der EU
Urheberrechte, Marken und ähnliches. Diese Rechte gewäh-
ren ihrem Eigentümer eine ausschließliche Rechtsposition,
die einem wirtschaftlichen Monopol gleichkommt, weil er die
2 Rechte allein ausnutzen darf. Genau dort liegt auch das Pro-
blem begründet, weil oben gerade festgestellt wurde, dass das
Ausnutzen (und nicht das Innehaben!) von Monopolen vom
EU-Wettbewerbsrecht verhindert werden soll. Andererseits
ist der Sinn und Zweck der Verleihung der ausschließlichen
Befugnis bei einem Patent gerade darin zu sehen, dass die Kre-
ativität belohnt werden soll, um die wissenschaftliche Entwick-
lung vorantreiben zu können.
Unterscheidung zwischen Der EuGH bringt die widerstreitenden Interessen dadurch
6 Bestand und Ausübung eines in Einklang, dass er zwischen dem Bestand eines Rechtes und
dessen Ausübung unterscheidet. Der Bestand, d. h. die Gewäh-
Rechts
rung des Patentes an ein Unternehmen, wird von den Ver-
trägen nicht geregelt, da es zur nationalen Eigentumsordnung
gehört, welche unangetastet bleibt, Art. 345 AEUV. Dagegen
kann die Ausübung des Rechtes unter Umständen verboten
sein, wenn einer der Tatbestände des Art. 101 oder 102 AEUV
berührt ist. Das ist z. B. beim Missbrauch einer marktbeherr-
schenden Stellung der Fall.
Beispiel: Ein frz. Autohersteller hat das alleinige Patent an
seinen Ersatzteilen. Jetzt ermächtigt er nur seine Vertragshänd-
ler in dem Mitgliedstaat I, diese Ersatzteile zu führen, während
2 unabhängige Autoreparaturwerkstätten die Ersatzteile nicht
oder nur stark überteuert erhalten. Dann stellt die Ausübung
des Patentrechtes einen Missbrauch dar und ein Verstoß gegen
2 Art. 102 AEUV liegt vor. Im Rahmen von Art. 101 AEUV hat
die Kommission inzwischen von ihrem Recht auf Gruppenfrei-
2 stellungen nach Abs. 3 z. B. für Patentlizenzvereinbarungen und
Know-how-Lizenzvereinbarungen Gebrauch gemacht.
Zu beachten ist jedoch, dass der Verstoß gegen Wettbe-
2 Daneben ist ein Verstoß gegen werbsvorschriften nur eine Seite des Problems ist. Die andere
Art. 34 AEUV möglich.
ist ein möglicher Verstoß gegen den freien Warenverkehr,
2 Art. 34 AEUV. Durch die oben beschriebene Maßnahme des
frz. Autoherstellers wird der Handel zwischen den Mitglied-
2 staaten im Sinne der Dassonville-Formel berührt, weil in I
weniger Teile verkauft werden. Der Binnenmarkt wird durch
sein Verhalten aufgeteilt, ein Umstand, den die Verträge mit
2 aller Macht verhindern möchten. Der aufmerksame Leser
wird jedoch zu Recht einwenden, dass Art. 36 S. 1 AEUV den
2 Rechtfertigungsgrund des gewerblichen und kommerziellen
Eigentums kennt. Könnten unsere Rechte nicht darunter fal-
len? Genauso ist es. Zur Lösung wendet der EuGH wiederum
2 das Gegensatzpaar Bestand/Ausübung an. Nur letztere wird
vom Vertrag erfasst. Das Ergebnis ist insoweit ebenso wie bei
Art. 101, 102 AEUV.