Page 239 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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6.9 • Die weiteren Politiken der EU
Demnach ist der Begriff der „Beihilfe“ weit zu fassen und Beihilfenbegriff
es werden darunter alle unentgeltlichen und freiwilligen staat-
lichen Zuschüsse an ein Unternehmen oder einen Wirtschafts-
zweig verstanden, für die das Unternehmen, wenn es sie auf
dem freien Markt beschaffen wollte, bezahlen müsste. Das sind
zum einen Subventionen an ein Unternehmen, aber auch sons-
tige geldwerte Leistungen wie z. B. günstige Kredite. Wichtig
bei der Beurteilung, ob eine Beihilfe vorliegt, ist die Wirkung
der staatlichen Maßnahme (Denfil, NJW 1987, 3072), wenn
diese begünstigend ist, liegt eine Beihilfe vor. Die Günstig-
keit des Zuschusses wird anhand des market investors-Testes
vorgenommen, wonach entscheidend ist, ob das begünstigte
Unternehmen die staatliche Zuwendung im Zeitpunkt der
Entscheidung unter den gleichen Bedingungen auch auf dem
freien Markt erhalten hätte. In diesem Fall liegt keine Begüns-
tigung und somit keine Beihilfe vor (Alfa Romeo, Slg. 1991,
I-1603). Ferner ist der das Merkmal nicht erfüllt, wenn die
begünstigende staatliche Maßnahme als Ausgleich anzusehen
ist, die ein Unternehmen für Leistungen erhält, die es zur Er-
füllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht hat
(Bsp.: staatliche Zuschüsse an private Linienbusunternehmer;
Altmark Trans, Slg. 2003, I-7747; allerdings muss das Unter-
nehmen mehrere Voraussetzungen erfüllen).
Ferner muss die Beihilfe aus staatlichen Mitteln (gleich wel- Staatliche Mittel
cher Körperschaft [Bund, Land, Kommune]) geleistet werden
und an bestimmte Unternehmen oder Wirtschaftszweige aus-
bezahlt werden (verneint für das frühere Stromeinspeisungs-
gesetz zur Förderung des „Öko-Stroms“; Preussen Elektra, Slg.
2001, I-2099). Allgemeine Maßnahmen der Wirtschaftsförde-
rung, die allen Unternehmen gewährt werden, wie z. B. Steuer-
ermäßigungen oder Straßenneubauten, werden von Art. 107 I
AEUV nicht erfasst. Die übrigen Voraussetzungen einschließ-
lich der Rechtfertigung nach Art. 107 II, III AEUV sind denen
des Art. 101 III AEUV angeglichen, die obigen Ausführungen
gelten entsprechend. Nicht in den Anwendungsbereich fallen
„de minimis-Beihilfen“, das sind Beihilfen die innerhalb von
drei Jahren nicht den Schwellenwert von 200.000 € erreichen
(VO 1998/2006, ABl. 2006L 379/5) und die nach Art. 42 und
93 AEUV ausgenommenen Bereiche.
Die Ausnahmen vom Beihilfenverbot unterteilen sich in Ausnahmen vom Beihilfen-
obligatorische und fakultative Ausnahmen. Erstere sind in Ab- verbot
satz 2 der Vorschrift enthalten, letztere in Absatz 3. Besondere
Bedeutung für Deutschland hat die Ausnahme des Absatzes 2
lit. c) erlangt, die aber sehr restriktiv auszulegen ist und auf
die generelle Benachteiligung der neuen Bundesländer keine
Anwendung findet (s. die Beihilfenproblematik des Freistaats
Sachsen zur Förderung eines VW-Werkes: KOM: ABl. 1996L