Page 242 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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236 Kapitel 6 • Materielles Recht und Rechtsschutz in der EU
einem übermäßigen Defizit und den Stabilitäts- und Wachs-
tumspakt konkretisiert, der u. a. aus der VO über die Beschleu-
nigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen
2 Defizit besteht (ABl. 1997L 209/6). Die VO schafft einen strik-
ten Rahmen von Fristen, die beim Defizitverfahren einzuhalten
sind. Änderungen des Verfahrens, die keine Änderung der VO
selbst sind sondern außerhalb ihres Verfahrens angenommen
wurden, sind aus diesem Grund rechtswidrig (wie die berühm-
ten „Schlussfolgerungen“ des Rates vom 25. November 2003, in
denen der Rat beschloss, das Defizitverfahren gegen Deutsch-
land und Frankreich auszusetzen; C-27/04, Defizitverfahren,
Slg. 2004, I-6649). Die Krise mehrerer Euro-Teilnehmerländer
6 Eingeschränkter Rechtsschutz zeigt wiederum sehr anschaulich die Fragilität des Systems auf.
Nach Art. 119 X AEUV ist, der Rechtsschutz vor dem
EuGH stark eingeschränkt. Im Bereich der übermäßigen öf-
fentlichen Defizite ist eine Anrufung des Gerichtshofes nach
dieser Vorschrift nicht mehr möglich und die Reduzierung ei-
nes übermäßigen Defizits wird alleine vom Rat behandelt. Weil
die Wirtschaftspolitik grundsätzlich Sache der Mitgliedstaa-
ten ist, gelten die Vertragsverletzungsverfahren der Art. 258,
259 AEUV nicht für diesen Abschnitt. Vielmehr ist ausschließ-
lich das oben skizzierte Verfahren bei übermäßigen Defiziten
eines Mitgliedstaates anzuwenden.
Der Euro und die 19 Teilneh- Der Euro gilt in 19 der 28 MS der Union und in 6 weiteren
2 merländer Staaten, wie Andorra, San Marino und dem Vatikanstaat. Die
Einführung einer gemeinsamen Währung war hoch umstritten
und Gegenstand mehrerer Entscheidungen des Bundesverfas-
2 sungsgerichts. In seiner Maastricht-Entscheidung hat es die
Möglichkeit einer Einführung einer gemeinsamen Währung
2 grundsätzlich bejaht (BVerfGE 89, 155) und daran auch in
späteren Entscheidungen ausdrücklich festgehalten, weil der
EGV strikte Voraussetzungen enthalte, die auf eine dauerhafte
2 Stabilität der Währungsunion hinzielen (vgl. BVerfG, EuGRZ,
1998, 164). Der Euro wurde zum 1.1.1999 eingeführt und be-
2 deutete das Ende einer dreistufigen Entwicklung.
Konvergenzkriterien Die Kriterien für die Konvergenz sind in Art. 140 I in Ver-
2 bindung mit Art. 126 AEUV sowie dem Protokoll über die
Konvergenzkriterien und dem Protokoll über das Verfahren
bei einem übermäßigen Defizit geregelt. Danach gelten die
2 - Preisstabilität: Die Inflationsrate eines Teilnehmerstaates
folgenden Prinzipien:
2 an der Währungsunion darf nicht um mehr als 1,5 % von
der Inflationsrate der stabilsten drei Mitgliedstaaten nach
- oben abweichen.
2 eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand
(Bund, Land, Gemeinde): Das wird anhand der Maßstäbe
Defizitkriterium und Schuldenstandkriterium ermittelt.