Page 243 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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6.9 • Die weiteren Politiken der EU
Das Defizitkriterium verlangt, dass das Verhältnis des
geplanten oder tatsächlichen Defizits zum Bruttoinlands-
produkt 3 % nicht überschreitet (Ausnahmen: dauernd
zurückgehendes Defizit oder nur eine kurzzeitige Über-
schreitung des Wertes [siehe Deutschland wegen der mit
der deutschen Einheit verbundenen Probleme]). Das
Schuldenstandkriterium verlangt, dass das Verhältnis öf-
fentliche Schulden zum Bruttoinlandsprodukt 60 % nicht
- mindestens zweijährige Einhaltung des EWS: Die eu-
überschreitet.
ropäischen Währungen befinden sich in einem „Korb“,
wonach früher der Kurs des ECU errechnet wurde.
Dieser Korb ist das Europäische Währungssystem (EWS)
ohne Abwertung gegenüber der Währung eines anderen
- Dauerhaftigkeit der Konvergenz: Hierbei ist auf das lang-
Mitgliedstaates.
fristige Zinsniveau in dem Staat zu schauen, welches wie
bei der Preisstabilität nicht um mehr als 2 % über dem
Satz der „besten drei“ liegt.
Die „Härte“ der neuen Währung Euro wird durch einen so
genannten „Stabilitätspakt“ gesichert, der in zwei Verordnun-
gen niedergelegt ist (VO 1466/97, ABl. 1997L 209/1 und VO
1467/97, ABl. 1997L 209/6). Über die Einhaltung der Stabili-
tätskriterien wacht eine unabhängige Zentralbank mit Sitz in
Frankfurt. Unabhängigkeit bedeutet, dass weder eine nationale
noch eine EU-Stelle Weisungen gleich welcher Art an die EZB
richten darf. Die Art. 143 und 144 AEUV regeln das Tätig-
werden im Falle von Zahlungsbilanzschwierigkeiten eines MS.
Im Rahmen der sogenannten EURO-Rettung wurden mehrere
parallele völkerrechtliche Abkommen zwischen den EURO-
Staaten geschlossen, die nur eingeschränkt als EU-Recht be-
zeichnet werden können (EuGH, C-370/12, Pringle; BVerfGE
132, 195 und E 135, 317).
Das System der Unabhängigkeit ist auf Druck der Bun- Unabhängigkeit der EZB
desregierung wie im deutschen Recht ausgestaltet (vgl.
§ 12 Satz 2 BBankG) worden. Für die Währungsunion
wurde auch das Grundgesetz geändert, siehe den neuen
Art. 88 Satz 2 GG. Die EZB hat auch das ausschließliche Recht,
die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft zu
genehmigen, Art. 128 I 1 AEUV, und ist zusammen mit den
nationalen Zentralbanken zur Auslieferung berechtigt.