Page 247 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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6.9 • Die weiteren Politiken der EU
unterfällt problemlos der Handelspolitik des Art. 207 AEUV
und somit einer Kompetenz der Gemeinschaft. Allerdings ist
der Grund des Tätigwerdens politischer Art und das Handeln
stellt auch Außenpolitik dar. Zur Lösung dieses Dilemmas
wird ein zweistufiges Verfahren angewandt. Die politische Ent-
scheidung über die Verhängung eines Embargos wird im Rah-
men der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nach
Art. 28 EUV vom Rat (in der Regel einstimmig, vgl. Art. 31
EUV) getroffen. Dann kann der Rat auf der zweiten Stufe mit
qualifizierter Mehrheit die erforderlichen Maßnahmen nach
Art. 215 AEUV treffen.
Häufig dienen die Maßnahmen der Umsetzung eines Sicherheitsratsbeschlüsse
VN-Sicherheitsratsbeschlusses nach Kapitel VII SVN (Lo-
renzmeier, Völkerrecht, 3. Aufl. 2016, Abschn. 2.6). Alle MS
als Mitglieder der VN sind nach Art. 25 SVN verpflichtet,
Beschlüsse des Sicherheitsrates auszuführen, für die EU als
Nichtmitglied gilt dies nicht. Aus Art. 305 II 1 AEUV und dem
Grundsatz der Unionstreue heraus, der auch für die Union
gegenüber den MS gilt, ist die EU verpflichtet, völkerrechtliche
Verpflichtungen der MS, die diese mangels Kompetenz nicht
mehr selbst erfüllen können, zu erfüllen. Allerdings gilt dies
nur insoweit, als der völkerrechtliche Rechtsakt nicht gegen
fundamentale Grundsätze der Union wie den Grundrechts-
schutz verstößt (Kadi, Slg. 2008, I-6351 Rn. 285). Daneben be-
steht die Möglichkeit des Tätigwerdens der MS nach Art. 347
3. Fall AEUV.
Leider gilt dieses System nicht für Waren, die sowohl für Dual-use-Güter
militärische als auch für zivile Zwecke eingesetzt werden kön-
nen. Das sind die sog. dual-use-Güter, die vor allem im Golf-
krieg Berühmtheit erlangten. Gerätschaften für den Aufbau
einer Düngemittelfabrik sind häufig auch für die Herstellung
bakteriologischer Waffen einsetzbar. Für diese Waren hat
der EuGH eine ausschließliche Kompetenz der Union nach
Art. 207 AEUV angenommen (Leifer, Slg. 1995, I-3231; jetzt
VO 428/2009, ABl. 2009L 134/1), wodurch das einheitliche
Sachgebiet Embargo leider wieder aufgespalten wird. Eindeu-
tige Kriegsmaterialien fallen unter die alleinige Kompetenz der
Mitgliedstaaten nach Art. 346 I lit. b) EGV.
In der Bundesrepublik gestaltet sich die Rechtslage nach
der Rechtsprechung des BGH wegen des Vorrangs des Eu-
roparechts folgendermaßen: § 69 a AWV (Außenwirtschafts-
verordnung), der die Embargomöglichkeit für Deutschland
normiert, hat nur noch deklaratorischen Charakter, die
Rechtswirkungen eines Embargos betreffen allein die EU
(BGHZ 125, 27). Das heißt für Exporteure: Sie müssen sich
für Schadensersatzklagen u. ä. an die EU und nicht an die Bun-
desrepublik wenden.