Page 249 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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6.9 • Die weiteren Politiken der EU
Nach Art. 191 II 2 AEUV beruht die unionale Umweltpolitik Die Umweltpolitik verfolgt drei
auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, der Ur- Prinzipien:
sprungsbekämpfung von Umweltbeeinträchtigungen und dem Vorbeugung,
Verursacherprinzip. Die früher in Art 191 AEUV enthaltene Bekämpfung des Verschmut-
Querschnittsklausel, nach der alle Politiken den Umweltschutz zungsursprungs, nicht der
als Ziel verfolgen müssen, ist nun in Art. 11 AEUV gesondert Symptome und Kostentragung
herausgestellt worden. Hierdurch wird die Klausel – und da- der Beseitigung durch den
mit die Belange des Umweltschutzes – deutlich aufgewertet. Verursacher, nicht die Allge-
Demnach ist die Umweltpolitik nicht eine sektorielle Politik meinheit
von vielen, sondern im Rahmen aller Unionspolitiken zu be-
achten.
Die Rechtsetzung in der EU-Umweltpolitik ist in
Art. 192 AEUV geregelt. Prinzipiell ist das ordentliche Ge-
setzgebungsverfahren anwendbar, die in Abs. 2 genannten be-
sonderen Materien werden vom Rat alleine und einstimmig
beschlossen. Die Durchführung und die Finanzierung der Um-
weltpolitik obliegt den MS, Art. 192 IV AEUV. Die Vorschrift
legt keine Rechtsaktart fest, zur Herstellung einer Mindesthar-
monisierung verwendet die EU allerdings häufig Richtlinien,
nur selten wird die VO gewählt.
Problematisch ist das Verhältnis von Art. 192 AEUV zu Verhältnis von Art. 192 AEUV
Art. 114 AEUV. Art. 114 III AEUV schreibt bei der Rechtsan- zu Art. 114 AEUV
gleichung die Beachtung des Umweltschutzes vor. Die Vor- Abgrenzungskriterien!
schrift des Art. 192 II AEUV („unbeschadet des Artikels 114“)
hilft nur insoweit weiter, als sie lex specialis zu Binnenmarkt-
kompetenz ist. Ihr Anwendungsbereich ist jedoch auf Um-
weltstandards reduziert, Produktnormen u. ä. die auch die Si-
cherstellung des Umweltschutzes gewährleisten können, sind
dort nicht erfasst. Dies ist bedeutsam, weil Art. 193 AEUV
gegenüber den Absätzen 4–6 des Art. 114 in der praktischen
Anwendung bezüglich der Einführung strikterer Umwelt-
standards deutlich einfacher zu handhaben ist. Das häufig in
diesem Zusammenhang zitierte Urteil Titandioxid (Slg. 1991
I-2867) ist aufgrund inzwischen geänderter Rechtslage nicht
mehr weiterführend. Die Abgrenzung sollte in einem ersten
Schritt nach dem Schwerpunkt der Maßnahme getroffen wer-
den, wenn sich dieser nicht eindeutig feststellen lässt ist auf
Hilfskriterien abzustellen. Entscheidend für diesen zweiten
Schritt ist zum einen, dass Art. 114 AEUV selbst subsidiär ist
(soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist) und
nur die Binnenmarktangleichung umfasst, und dass zum
anderen Art. 192 durch die Anwendung des Art. 114 AEUV
nicht seines Anwendungsbereiches beraubt werden darf. Er-
gebnis dieser Abwägung bleibt dann eine Anwendung von
Art. 114 AEUV auf umweltschutzbezogene Maßnahmen,
die auf die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen
gerichtet.