Page 26 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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18   Kapitel 1  •  Einführung


   1                              Der EURATOM-Vertrag scheidet schnell aus, da er nur die ge-
                                  meinsame Erforschung und Nutzung der Kernenergie regelt.
                                  Bleibt also der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen
   2                              Union (AEUV) und das auf seiner Grundlage ergangene Sekun-
                                  därrecht.
                                  Das Sekundärrecht, also etwa Verordnungen und Richtlinien, ist
                                  grundsätzlich feiner ausgeprägt als der zugrunde liegende Ver-
                                  trag. Deshalb ist zuerst festzustellen, ob es solches Sekundärrecht
                                  gibt, denn die speziellere Norm geht der allgemeineren immer
                                  vor. Außerdem lassen sich mit dem konkreteren Recht Sachver-
                                  halte viel leichter lösen.
                                  Das Unionsrecht enthält aber keine Sekundärrechtsnorm, die etwas
                                  über ein Werbeverbot für apothekenübliche Waren aussagt. Es gibt
                                  beispielsweise keine Verordnung über die Apothekenwerbung. Also
                                  muss man im Primärrecht, dem AEUV, eine passende Norm suchen.
          Die Warenverkehrsfreiheit soll   Wo im AEUV nun könnte diese Norm zu suchen sein? Der AEUV
          sämtliche Wettbewerbsverzer-  regelt im Dritten Teil (Politiken und Maßnahmen der Union) in
          rungen eliminieren.     Titel II den freien Warenverkehr. Nun fragt man sich, was der freie
                                  Warenverkehr in der Union mit Werbeschildern von Apotheken
                                  zu tun haben könnte.
                                  Die Werbung für Produkte betrifft wesentlich ihre Marktchancen.
                                  Wird die Werbung für apothekenübliche Waren national unter-
                                  sagt, so werden davon in aller Regel auch Produkte aus ande-
                                  ren Staaten der Union betroffen. Das bedeutet, es ist nicht von
   2                              vornherein auszuschließen, dass das Verbot ausländische Waren
                                  diskriminiert. Das Verbot einer solchen Diskriminierung ist ein
                                  Hauptanliegen des AEUV.
   2                              In Frage kommt nun eine Bestimmung aus dem ▶ Kap. 3 (Besei-
                                  tigung der mengenmäßigen Beschränkungen) des Titels II (freier
   2                              Warenverkehr).


   2                                 Art. 34 AEUV – Indirekte Handelshemmnisse
                                     Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen
                                     gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.
   2

   2      Prüfung                 Zum 3. Schritt der Abfolge: die eigentliche Prüfung der Norm. Zu

                                  trennen sind Tatbestand und Rechtsfolge.
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                                  Der Tatbestand enthält die Merkmale:
          Die Kosmetikartikel sind Waren   -
   2      im Sinne des AEUV.      -   Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen,
                                  -
                                      sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung,
                                      zwischen den Mitgliedstaaten.
   2                              Zu Art. 34 AEUV gibt es auch normexterne Voraussetzungen: Bei
                                  den Beschränkungen kann es sich nur um Beschränkungen für
                                  den Handel mit Waren handeln, denn der AEUV regelt den freien
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