Page 27 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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1.5 • Ein Übungsfall
Warenverkehr. Außerdem darf es keine Spezialregelung geben.
Letzteres wurde oben bereits geklärt.
Weiter gibt es auch im Art. 34 AEUV selbst eine, quasi zwischen Immanente Schranken sind
den Zeilen liegende Beschränkungen seiner Anwendung, die Grenzen des Anwendungs-
sog. immanenten Schranken. Diese führen eine Art rechtlichen bereiches einer Norm, die
Ausgleich herbei. Der Umfang immanenter Schranken orientiert sich aus dem Sinn der Norm
sich an Rechten anderer, bei Art. 34 AEUV an den Rechten der Mit- ergeben, aber dort nicht aus-
gliedstaaten, Warenverkehrsregelungen zu bestimmten Zwecken drücklich festgehalten sind.
zu erlassen (etwa Gesundheitsschutz).
Diese Schranken wären allerdings nur zu prüfen, wenn der Tatbe-
stand des Art. 34 AEUV erfüllt ist. Die Rechtsfolge greift ein, wenn
die Tatbestandsmerkmale und die normexternen Voraussetzun-
gen des Art. 34 AEUV erfüllt sind.
- „… sind … verboten“.
Rechtsfolge ist:
Wenn man eine Norm auf diesem Wege transparent macht, ist Tatbestandsmerkmale sind
man der weiteren Lösung schon ein gutes Stück näher gekom- nicht immer eindeutig
men. Bei der weiteren Prüfung muss man, bevor man den Sach- umrissen, teilweise muss
verhalt unter die Norm subsumiert, die Tatbestandsmerkmale man sie durch Auslegung
unter Umständen näher konkretisieren, sprich definieren. Die definieren. Die Auslegung
Definition ist nötig, wenn Merkmale nicht absolut klar sind. der Norm ist eine der wich-
Greifen wir zuerst das letztgenannte Tatbestandsmerkmal des tigsten Facetten der Rechtsan-
Art. 34 AEUV auf, die Zwischenstaatlichkeit. Diese Vorausset- wendung.
zung ist allgemein für die Anwendung des AEUV erforderlich.
Auf den Warenverkehr bezogen meint sie: Die Regeln über den
Warenverkehr sind nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte
anwendbar. Der AEUV betrifft nur die Fälle, in denen irgendwie
der Grenzübertritt einer Ware gehemmt wird. Das Schicksal einer
Ware, die in einem Mitgliedstaat produziert und vertrieben wird,
regelt er nicht. Ob deutsche Apotheken für apothekenübliche
Produkte deutscher Herkunft Außenwerbung machen dürfen, ist
ausschließlich eine Frage des nationalen deutschen Rechts. Dabei
darf das deutsche Recht inländische Waren gegenüber ausländi-
schen Waren benachteiligen, umgekehrt verbietet das der AEUV
(Inländerdiskriminierung ▶ Abschn. 4.3).
Daher können wir im Rahmen des Art. 34 AEUV nur nach einer
Maßnahme suchen, die ausländische Waren diskriminiert.
Zur zweiten Voraussetzung, der „mengenmäßigen Einfuhrbe-
schränkung“. Hier gibt es wenig zu definieren, denn das Merkmal
ist ziemlich eindeutig. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen
sind alle zahlenmäßigen Einfuhrbegrenzungen bis zum vollstän-
digen Einfuhrverbot. Eine solche gezielte Beschränkung liegt aber
in unserem Fall nicht vor.
Problematischer wird es bei den Maßnahmen gleicher Wirkung.
Da denkt man sich, das könne ja fast alles sein.
Dieser Gedanke ist auch richtig, man muss ihn für eine saubere
und tragfähige Prüfung aber in eine Definition verpacken.