Page 31 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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24   Kapitel 2  •  Europäische Organisationen

                                  2.1   Die Europäische Union


                                  Die Europäische Union (EU) ist eine (supranationale) inter-
   2                              nationale Organisation und Trägerin völkerrechtlicher Rechte
                                  und Pflichten, Art. 47 EUV. Sie wurde mit dem Maastrichter
                                  Unionsvertrag (EUV) vom Februar 1992, einem völkerrechtli-
                                  chen Vertrag, zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
                                  Gemeinschaften gegründet. Der EUV, mittlerweile mehrfach
                                  durch die Verträge von Amsterdam, Nizza und zuletzt grund-
                                  legend durch den Vertrag von Lissabon (sog. „Reformvertrag“)
                                  modifiziert, war das Ergebnis zweier Regierungskonferenzen
                                  zur Wirtschafts- und Währungsunion und zur politischen
                                  Union. Seit dem 1. Dezember 2009, dem Datum des Inkrafttre-
                                  tens des Vertrags von Lissabon, ist die früher neben der EU be-
                                  stehende Europäische Gemeinschaft vollständig in der Union
                                  aufgegangen; die EU ist Rechtsnachfolgerin der EG (Art. 1 III 3
                                  EUV). Neben der EU besteht noch die Europäische Atomge-
                                  meinschaft (Euratom) von 1957 als Spezialgemeinschaft für die
                                  Nutzung der Kernenergie.
          Tempelmodell: Dach EU,     Bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurde
          Säulen EG / Euratom, GASP   die Konstruktion der Verträge EUV/EGV als Tempelmodell
          und PJZS                erklärt. Danach war der EUV das Dach über den drei Säulen
                                  EG, der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
                                  und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Straf-
   2                              sachen. Das Säulenmodell wurde vom Vertrag von Lissabon
                                  durch ein einheitliches Modell abgelöst, wobei zu beachten
                                  ist, dass einige Besonderheiten des Vorgängersystems, wie die
   2                              Nichtjustiziabilität von Akten der GASP, beibehalten wurden.
                                  Ansonsten sind alle Rechtsakte der EU gerichtlich vor dem
   2                              EuGH überprüfbar.
          EWGV: Vorläufer des EGV    Der EGV hieß bis zum Inkrafttreten des Maastrichter Ver-
                                  trages im Jahre 1993 EWGV. Das Herausnehmen der Silbe
   2                              „Wirtschafts-“ erscheint linguistisch nicht besonders gravierend,
                                  politisch ist es aber umso schwerwiegender. Europa sollte nach
   2                              dem wirtschaftlichen Zusammenschluss des EWGV nun auch
                                  politisch zusammenwachsen. Die Europäische Union ist eine
   2                              weitere Stufe der engeren Zusammenarbeit, auch Integration
                                  genannt.
                                     Die deutsche Ratifikation des Maastrichter Vertrags war
   2                              aufgrund der weitgehenden Übertragung von Hoheitsrechten
                                  problematisch. Das BVerfG hielt den EUV in der Maastrich-
   2                              ter Fassung für mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfGE 89,
                                  155 ff.). Die deutschen Gesetze zum Vertrag von Lissabon wur-
                                  den ebenfalls vor dem BVerfG angegriffen. In seiner Entschei-
   2                              dung vom 30. Juni 2009 machte das BVerfG (BVerfGE 123,
                                  267) den Weg für die Ratifizierung des Vertrages frei, indem es
                                  das Zustimmungsgesetz als verfassungsgemäß einstufte.
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