Page 267 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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6.10 • Der Rechtsschutz gegen Unionsrecht
staatliche Gericht seinen Prozess fort und entscheidet unter
Berücksichtigung des EuGH-Urteils. Art. 267 Abs. 1 AEUV
Zu den einzelnen Absätzen des Art. 267 AEUV:
- der Auslegung der Verträge (Primärrecht), (a)
Abs. 1: Der EuGH entscheidet über Fragen bezüglich
-
der Rechtmäßigkeit und Auslegung der Handlungen der
Organe, der Einrichtungen oder sonstigen Stellen der
- der Auslegung und Gültigkeit völkerrechtlicher Verträge
Union, also das Sekundärrecht (b)
- der Auslegung nichtbindender Akte, (b), Frecassetti, Slg.
der EU, (b), Kupferberg I, Slg. 1990, I-3497
1976, S. 983
Der EuGH darf keinesfalls über die Auslegung nationalen Keine Auslegung des natio-
Rechts befinden (Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251). Daher darf ein nalen Rechts
nationales Gericht dem EuGH nicht die abstrakte Frage vor-
legen, ob eine gewisse nationale Regelung mit dem EU-Recht
vereinbar sei. Da aber ein derartiges Problem oft gegeben ist,
kann man dieses Verbot umgehen: Das nationale Gericht darf
den EuGH fragen, ob eine bestimmte nationale Maßnahme,
die auf dem fraglichen nationalen Gesetz fußt, mit dem Uni-
onsrecht vereinbar ist.
- Nationale Gerichte sind wie alle Staatsorgane verpflichtet, Art. 267 Abs. 2 AEUV
Abs. 2: Vorlageberechtigung
das gesamte EU-Recht anzuwenden, soweit es einschlägig
ist, also auf den dem Gericht vorliegenden Fall passt
Beispiel: Das EU-Recht kann z. B. vor einem nationalen
Gericht bedeutsam werden, wenn der Kläger einen natio-
nalen Verwaltungsakt aufgrund einer Verordnung erhalten
hat. Klagt er gegen den Verwaltungsakt mit der Begrün-
dung, die Verordnung decke den Verwaltungsakt nicht, so
muss das Gericht prüfen, ob das der Fall ist. Dazu muss
es das Unionsrecht auslegen und prüfen, ob es gültig ist.
Hat es bei der Auslegung oder bei der Gültigkeit Zweifel, so
- Der Gerichtsbegriff des Abs. 2 wird aus unionsrechtlicher Gericht
muss es dem EuGH eine konkrete Frage vorlegen.
Sicht definiert: ein Spruchkörper, der dauerhaft besteht
und auf gesetzlicher Grundlage Rechtssachen nach
Normen entscheidet (Nordsee, Slg. 1982, 1095). Auch
staatliche Schiedsgerichte erfüllen den Gerichtsbegriff
- Das nationale Gericht darf nur vorlegen, wenn es eine
(Vaassen-Göbbels, Slg. 1966, 378), nicht dagegen private.
Frage des Unionsrechts für klärungsbedürftig für seinen
Fall hält. Ob das Gericht eine Vorlage für erforderlich
hält, steht in seinem eigenen Ermessen. Das vorlegende
Gericht – und nicht die Parteien des anhängigen Rechts-