Page 268 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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262  Kapitel 6  •  Materielles Recht und Rechtsschutz in der EU


                                     streits – bestimmt auch alleine die Fassung der Vorlage-
                                  -   Fragen nach Auslegung dürfen das ganze EU-Recht
                                     fragen.
   2                                 betreffen.

                                  Fragen nach der Gültigkeit dürfen nur das Sekundärrecht und
                                  völkerrechtliche Verträge der EU betreffen, denn das Primär-
                                  recht ist der Frage nach der Gültigkeit entzogen.
          Vorlagepflicht bei Gültigkeits-  -   Bezweifelt ein Gericht die Gültigkeit eines Unionsrechts-
          zweifeln                   aktes oder die Ungültigkeit eines vom EuGH für ungültig
                                     erklärten Aktes (ICC, Slg. 1981, 1191), so muss es immer
                                     vorlegen. Der Wortlaut des Abs. 2 besagt dies zwar nicht
   6                                 ausdrücklich. Hätte ein nationales Gericht aber die
                                     Möglichkeit, bei Gültigkeitszweifeln ohne Vorlage einen
                                     Unionsrechtsakt nicht anzuwenden, so verstieße das
                                     gegen das Interpretations- und Verwerfungsmonopol des
                                     EuGH. Ausschließlich der EuGH kann auf Vorlage EU-
                                     Recht aufheben. Gäbe es diese Möglichkeit für nationale
                                     Gerichte, wäre eine Rechtszersplitterung zu erwarten.
                                     Eine Vorlagepflicht besteht hingegen nicht, wenn das Ge-
                                     richt den Unionsrechtsakt für gültig hält. Dann besteht
                                     auch die Gefahr der Rechtszersplitterung nicht (Foto-
                                     Frost, Slg. 1987, 4199). Das BVerfG kann auch vorlegen.
          Art. 267 Abs. 3 AEUV    -  Abs. 3: Vorlageverpflichtung
   2                                  Eine Pflicht zur Vorlage besteht dagegen für letztins-
                                     tanzliche Gerichte, wenn eine Frage des EU-Rechts bei
                                     ihrer Entscheidung maßgeblich ist. Letztinstanzlich ist
   2                                 jedes Gericht, dessen Entscheidung nicht mit Rechts-
                                     mitteln wie Berufung oder Revision angegriffen werden
   2                                 kann (konkrete Theorie; Morson, Slg. 1982, 3723). Im
                                     Einzelfall kann also auch ein erstinstanzliches Gericht,
                                     gegen dessen Entscheidung es aber keine Rechtsmittel
   2                                 gibt, gleichzeitig ein letztinstanzliches sein (Beispiel: eine
                                     verlorene Klage erfüllt nicht die Anforderungen an die
   2                                 Möglichkeit der Berufung – ausreichender Summenwert
                                     der abgewiesenen Klage – oder Revision – ausreichender
   2                                 Summenwert oder grundsätzliche Bedeutung – an ein
                                     höheres Gericht).
          Abstrakte und konkrete   -   Gegen die konkrete Theorie wird eine abstrakte Meinung
   2      Theorie                    vertreten. Danach sind nur abstrakt letztinstanzliche
          Verfassungsbeschwerde ist   Gerichte vorlageverpflichtet, etwa der Bundesgerichts-
   2      nicht umfasst.             hof (Zivil- und Strafsachen), das Bundesarbeitsgericht,
                                     das Bundesverwaltungsgericht, der Bundesfinanzhof
                                     (Steuersachen) etc. Der Wortlaut des Abs. 3 lässt wohl
   2                                 eine abstrakte Deutung zu, Sinn und Zweck der Vorla-
                                     gepflicht kann eine derartige Verkürzung der Rechtsver-
                                     einheitlichung durch den EuGH aber nicht sein, so dass
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