Page 71 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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          3.2  •  Die EMRK


            Laut Artikel 1 I ZP I sind Enteignungen, die durch Gesetz
          vorgeschrieben sind, die das öffentliche Interesse verlangt und
          die im Einklang mit den Regeln des Völkerrechts stehen, zu-
          lässig. Eine Enteignung dient nicht dem öffentlichen Interesse,
          wenn der für die Enteignung geltend gemachte Grund über
          einen längeren Zeitraum nicht realisiert wird. Im Beispiels-
          fall sollte ein enteignetes Grundstück einer Stadt dienen, die
          ebendieses Grundstück jedoch über einen längeren Zeitraum
          nicht nutzte.
            Die EMRK kennt, anders als das GG in seinem Art. 3, kei-  Gleichheitsrechte
          nen allgemeinen Gleichheitssatz. Art. 14 EMRK enthält ein
          Diskriminierungsverbot, die dort genannten Tatbestände sind
          nur eine beispielhafte und keine abschließende Aufzählung.
          Art. 14 EMRK kann neben einem Freiheitsgrundrecht verletzt
          sein.
            Art. 5 7. ZP schreibt die Gleichberechtigung von Ehegatten
          vor. Die Vorschrift ist lex specialis zu Art. 14 EMRK, aber von
          Deutschland bislang noch nicht ratifiziert.
            Das von Deutschland ebenfalls noch nicht ratifizierte
          12. ZP enthält in Art. 1 einen allgemeinen Gleichheitssatz, der
          sich im Gegensatz zu Art. 14 EMRK nicht nur auf die von der
          EMRK verbürgten Grundrechte bezieht, sondern auch auf die
          von den Rechtsordnungen der MS garantierten Rechte. Diese
          Aufhebung der Akzessorietät ist rechtlich problematisch und
          der Grund für die dt. Nichtratifizierung.


          3.2.5  Die Durchsetzung der europäischen
                Menschenrechte


          Die praktische Umsetzung der EMRK ist einerseits abhängig
          von dem Umgang der staatlichen Stellen mit der EMRK, der, wie
          oben schon erwähnt wurde, häufig verbessert werden könnte.
          Andererseits enthält die EMRK selbst einen Mechanismus, mit
          der sie – unabhängig von nationalen Behörden – durchgesetzt
          werden kann, und zwar auf dem Wege des Völkerrechts.
            Das Organ, welches diesen Mechanismus trägt, ist der stän-  Durch das Inkrafttreten des
          dige Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).   ZP 11 sind die Organe MrK und
          Die früher noch daneben bestehende Europäische Menschen-  EGMR zu einem einheitlichen
          rechtskommission (MrK) und das Ministerkomitee sind mit   Gerichtshof verschmolzen
          dem Inkrafttreten des 11. ZP am 1. November 1998 obsolet         worden.
          geworden. Das früher auf verschiedene Ebenen verteilte Ver-
          fahren zur Durchsetzung der Menschenrechte wurde beim
          Gerichtshof zentralisiert.
            Das Gerichtsverfahren des EGMR richtet sich nach der   Der Europäische Menschen-
          EMRK, dem 2., 11., 14., 15. und 16. ZP und der Verfahrens-  rechtsgerichtshof
          ordnung des Gerichtshofes.
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