Page 33 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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Missbrauch als Kind
Aber jetzt gibt es eine kleinere und bittere Episode von
meiner Kindheit im Pfarrhaus. Ich lag wieder mal im dop-
pelstöckigen Bett und befinde mich nach längerer Zeit im
Tiefschlaf, da birst das Fenster. Der Typ, der reinkommen
wollte, fluchte unerbittlich, denn er hatte sich am Fens-
ter verletzt, somit brach er den ganzen Fensterrahmen
raus, um sich nicht noch weiter zu verletzen. Ich schaute
ihm ganz benommen zu. Ich wusste gar nicht, was er
wollte, aber spürte irgendwie im Unterbewusstsein, was
auf mich zukam, und es sollte nicht das letzte Mal sein.
Mit einem Satz war der Typ bei mir im Bett und steckte
mir die Zunge rein. Du musst nur mitmachen, Michel, das
ist sehr schön, sagte er immer und immer wieder, aber
ich kämpfte mit aller Macht dagegen an, als Sechsjähri-
ger; wie weit es half, möchte ich nicht weiter erklären.
Plötzlich kam die erlösende Gestalt in Form von Hedi zu
uns rein und erlöste mich von dem pädophilen Unhold.
Er war von einer Strafanstalt entwichen, und der Engel
Hedi hatte mich mehr als einmal gerettet. Sie war mehr
als einmal an meiner Seite, ihr gebührt mein innigster
Dank, sie ist ein Herz von einer wundervollen Seele. Nach
den Vorfällen in der Nacht, die einige Male passierten,
ließen sich die Pfarrers niemals blicken und gingen ein-
fach in den Alltag über, als wäre nie etwas geschehen. Ja,
wir waren ja nur Dreck aus den Slums, mit denen durfte
man experimentieren, mit ihren Namen Reklame ma-
chen für die Selbstverherrlichung und das Ansehen. Im
Grunde wollte ich mir als Kind oft das Leben nehmen, das
zeigte ich in Form von Abschiedsbriefen oder indem ich
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