Page 37 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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Paris verweilten, als wir diesen großen Verwaltungspa-
last betreten durften. Irgendwie muss ich Dampf ablas-
sen, um der Gerechtigkeit willen, danke für euer Ver-
ständnis. Sonst bin ich in keiner Weise ein Kind von Trau-
rigkeit, muss auch nicht allzu sehr die Vergangenheit
aufarbeiten; ich fordere nur Gewissheit und Ehrlichkeit
um ein simples Menschenrecht seitens der Behörden,
damit ich das leidige Thema Vergangenheit abschließen
darf, um endlich inneren Frieden zu finden, der mir nach
so langer Zeit zusteht. Auch ich bin nicht ohne Fehler. Ab
und zu passierte es auch, dass ich über meine Kräfte
versuchte, jemandem zu helfen (kleines Helfersyndrom);
das sah ich dann plötzlich ein oder bekam von echten
Freunden Hilfe, aber nur, wenn ich es zuließ. Ich denke,
das hängt auch noch mit meiner Kindheit zusammen:
Wenn man dauernd um Anhörung, Liebe, Achtung und
Vertrauen kämpfen musste in diesem Sumpf von Unge-
rechtigkeit, Sozialarbeit verrichten als knapp Elfjähriger,
das geht dann doch nicht spurlos an einem vorbei und
man sieht sich dauernd wieder mit der Realität der Ver-
gangenheit konfrontiert. Ich oder andere sind eben auch
nur Individuen. Aber auch meine Maman half den Armen
der Armen, ihr Leben lang, bei der Heilsarmee, den klei-
nen Schwestern sowie dem Weißen Kreuz etc. – somit
sind wir gar nicht so grundverschieden. Maman, du bist
eben eine ganz, ganz spezielle Persönlichkeit, eben mei-
ne geliebte Maman. Nebenbei hatte ich auch gemerkt:
Wer sich dauernd mit dem Tod befasst, hat vergessen,
anzufangen zu leben. Aber was mich wirklich traumati-
siert hatte, war, als man uns unserer Sprache beraubte,
und der ewige Kampf um ein simples Menschenrecht, die
Wahrheit um unsere Eltern, all diese Lügen im Namen
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