Page 40 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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nerten mich stets wieder an mein eigenes Schicksal und
         Erfahrungen,  dabei  liefen  mir  jedes  Mal  Tränen  runter.
         So hoffte ich durch die Heilsarmee, Schweizerischen Ro-
         ten  Kreuz  und  französischem  Konsulat  herauszufinden,
         wo  meine  leiblichen  Eltern  und  meine  geliebten  Ge-
         schwister waren, aber die Türen blieben stets verschlos-
         sen. Das Lächeln das mir liebe Mitmenschen schenkten,
         gab mir immer wieder Kraft weiter zu machen, um Auf-
         recht  durchs  Leben  zu  gehen,  oft  kostete  es  mich  un-
         menschlich Kraft und Ausdauer, damit ich nicht zerbrach.
         Eines  Tages  hörte  ich  als  Zwanzigjähriger  vom  Radio
         Beromünster  so  nebenbei,  die  schönsten  Kinder  ent-
         stammen  aus  den  Slums.  Das  verhalf  mir  zu  so  einem
         inneren  Antrieb,  dass  ich  fortan  mit  geschwellter  Brust
         und einem stolzen Lächeln dem Leben gegenüber trat. Zu
         diesem Zeitpunkt kam ich mir vor, wir der Phönix der aus
         der Asche stieg. Später verhalf mir mein geliebter Sohn,
         dem  Leben  ein  wenig  mit  einem  Lächeln  zu  begegnen,
         aber auch da gab es diverse gesetzliche Hürden zu über-
         winden. Die Jugend im Pfarrhaus war für mich eine Her-
         ausforderung  spezieller  Art  und  täglichen  Erniedrigung,
         der ich dauernd alles abverlangen musste. Auch gab es
         im Alter von neun bis zehn Jahren ein Zwischenfall, der
         Pfarrer malte mich nackt, seine Beweggründe waren nur,
         Michel ich brauche dich als Model, als ich aufbegehrte,
         denkst denn du war seine Antwort, ich könnte das von
         meinem eigenen  Sohn  verlangen,  ohne Worte.  Ich  ent-
         deckte plötzlich als Sechsjähriger, dass man Erwachsenen
         Fahrräder fahren konnte, indem man mit dem Bein unter
         dem Fahrgestell hindurch ging und Balance hielt. Aber es
         gelang mir erst nach ein paar Versuchen, zuerst holte ich
         mir diverse Blessuren, aber aufgeben war nie mein Mot-



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