Page 82 - Michaels_Buch Februar_neu
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und habe Phantasie. Darüber hinaus lass ich mich nicht entmutigen, wenn mal was nicht klappt. Ich
            glaube zwar immer an den Erfolg der Sache, an der ich arbeite und sag das auch meiner Umgebung,
            aber wenn es dann in die Hose geht, halt ich es mit Adenauer: „Was interessiert mich mein
            Geschwätz von gestern?“


            Ich habe im Laufe meiner Selbständigkeit einige Bücher über erfolgreiche Menschen gelesen und
            viel daraus für mich übernehmen können. Jetzt war ich endlich in der Lage, meine Ideen so
            umzusetzen, wie ich wollte. Keiner, nicht einmal Doreen, konnte mir rein reden. Wenn etwas
            geklappt hat, habe ich mich gefreut, aber wenn etwas in die Hose gegangen ist, kam keiner und hat
            mich nieder gemacht. Dann hieß es: „Mund abwischen und weiter machen“.

            Zuerst habe ich eine eigene Website erstellt. Ich brauchte dazu einen einprägsamen Namen und bin
            auf www.anneweb.de gekommen. Als wir im Februar merkten, dass es mit der Agentur richtig
            losgehen würde, hat sich Doreen beim Sozialamt abgemeldet und eine Firma angemeldet, die wir
            Web-Star genannt hatten. Der Name war natürlich nicht als Domain für Annes Seitensprung
            Agentur geeignet und deshalb habe ich dafür Anneweb benutzt.

            Ich hatte noch nie vorher eine eigene Website erstellt und brauchte zwei Wochen, bis ich alles fertig
            hatte. Jetzt gab es eine Seite für Frauen, die hieß „Coole Männer“ und eine für Männer, die hieß
            „Tolle Frauen“. Außerdem gab es die Möglichkeit, sich direkt sowohl als Frau, als auch als Mann
            online anzumelden.

            Auf „Tolle Frauen“ konnten sich Männer, die eine Mitgliedschaft eingegangen waren, die Profile
            der Frauen natürlich ohne Telefonnummer und E-Mail-Adressen mit Aliasnamen anschauen,
            umgekehrt war es bei den Frauen das Gleiche. Wer sich für einen oder eine interessierte rief Doreen
            an und sie machte manuell die Vermittlung.


            Es meldeten sich nun täglich neue Kunden an und wir hatten jede Menge zu tun. Die
            Anzeigenkosten stiegen, da wir auch in der Umgebung von Hannover inserierten, und wir stellten
            fest, dass wir auf Dauer unseren Preis von 80 DM nicht halten konnten. Es gab andere Agenturen,
            die ein Vielfaches davon nahmen und ich beschloss einen radikalen Schnitt. Ich erhöhte von heute
            auf morgen auf 150 DM für ein halbes Jahr Mitgliedschaft. Bei so einem Schritt hat man natürlich
            Bedenken, ob das klappt, und ich war bereit, bei Misserfolg zurückzurudern, aber es zog sogar noch
            an.

            Jetzt begannen wir richtig Geld zu verdienen und ich hatte eine weitere Idee. Wenn es in Hannover
            so gut klappte, warum sollten wir nicht bundesweit einsteigen? Wir waren jetzt 9 Monate im
            Geschäft und hatten nie einen Kunden oder eine Kundin persönlich getroffen.

            Ich schrieb Hunderte von Tageszeitungen per Mail an und ließ mir Anzeigenpreise schicken. Ich
            verglich die Auflagenstärke mit dem Anzeigenpreis und stellte fest, dass es enorme Unterschiede
            gab. Besonders in den neuen Bundesländern waren die Preise teilweise indiskutabel.

            Ich suchte die raus, bei denen das Preis-Leistungsverhältnis am besten war und schickte meinen
            Anzeigentext. Mittlerweile waren nicht nur die Telefonnummern der Anrufbeantworter angegeben,
            sondern auch www.anneweb.de


            Am Wochenende, an dem die Anzeigen erscheinen sollten, musste nun die Hölle los sein. Es zog
            zwar an, aber nicht so wie ich es mir gedacht hatte. Was war passiert? Das merkte ich am Montag.
            Reihenweise kamen Brief mit ähnlichem Wortlaut: „Die von Ihnen gewünschte Veröffentlichung
            der Anzeige können wir aus grundsätzlichen Erwägungen heraus leider nicht vornehmen. Derartige
            Anzeigen stehen nicht im Einklang mit dem verlegerischen Konzept unserer Zeitung.“
            Rums, das hatte gesessen. Sah so die viel gepriesene Pressefreiheit aus? Ich gab aber nicht auf und
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