Page 86 - Michaels_Buch Februar_neu
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Die Rakete muss in bestimmten Intervallen ausgetauscht werden. Der Austausch war drei Wochen
            nach der Überführung aus dem Allgäu fällig. Da Werner kurzfristig einen größeren Auftrag
            erledigen musste, habe ich mich bereit erklärt, die alte Rakete aus und die neue einzubauen. Das
            war recht kompliziert, weil es sehr eng in der Kanzel war. El stand mir tatkräftig zur Seite und wir
            verbrachten Stunden mit dieser komplizierten Arbeit. Als Werner zurückkam, hat er mir vor
            geschlagen, dass wir einmal eine Runde drehen sollten. Das Wetter war super, keine Wolke am
            Himmel und kein Windhauch zu spüren. Mit bebendem Herzen bin ich eingestiegen. Und dann
            hoben wir ab. Ich war auf das Schlimmste gefasst und wartete förmlich auf die Panikattacke. Doch
            es passierte nichts.

            Da war mir mit einem Mal klar, warum das so war. Die Zeit während der Arbeit im Cockpit hatte
            mir eine Art Geborgenheit gegeben, die meine Höhenangst etwas gedämpft hatte.


            Eine lustige Geschichte habe ich mit Jörg, dem Bruder von Julius erlebt. Wir hatten uns bei ihm auf
            einer Party kennen gelernt und uns richtig gut verstanden. Jörg und ich unternahmen in unserer
            Freizeit immer mal wieder etwas zusammen und wollten mal wieder ein Bier bei mir zu Hause
            trinken. Wir fuhren von der Wedemark nach Krähenwinkel und wie das bei Männern so ist,
            schauten wir nach attraktiven Frauen und gaben damit an, dass wir auch bei denen, die wir sahen,
            ohne Probleme landen könnten. Wir bogen in die Straße ein, die zum Blumenweg führte und sahen
            vor uns auf dem Bürgersteig eine attraktive Blondine. Ich sagte zu Jörg, „Die schnapp ich mir jetzt.“
            Er lachte, weil er natürlich dachte, ich mache Witze, aber ich hielt an und sagte, „Hey Mädel, willst
            Du mitfahren?“ Jörg fiel fast die Kinnlade runter, er wurde sogar etwas rot, aber am meisten hat er
            gestaunt, als sie sagte „oh ja, danke“ und eingestiegen ist. Er wusste allerdings nicht, dass das
            unsere neue Reinigungskraft war.

            Anfang des Jahres hatte ich die Idee ein Buch über Annes Seitensprung Agentur zu schreiben. Ich
            habe eine Stoffsammlung angelegt und im April angefangen zu schreiben. Dazu habe ich mich in
            Schwarmstedt in eine Pension eingemietet und in einem Rutsch das Buch geschrieben. Autorin des
            Buches war Anne Moliere, denn ich hatte alles aus ihrer Sicht geschildert. Im Mai ist es bei Books
            on Demand erschienen. Die Rezensionen waren gut, aber am meisten hat mir gefallen, dass die
            Leute meinten, man merke, dass das Buch von einer Frau geschrieben wurde.

            Christian war nun in dem Alter, wo er zur Bundeswehr musste. Da es mir gelungen war, Franz und
            mich vor dieser Plage zu verschonen, legte ich mich nun für meinen Sohn ins Zeug. Allerdings
            erwies sich das als keine leichte Aufgabe. Er hatte nun so gar kein schauspielerisches Talent und
            schließlich musste ich einsehen, dass auf diesem Gebiet wohl nichts zu machen sei. Also blieb nur
            eine Möglichkeit. Er musste Ersatzdienst leisten. Wir stellten einen Antrag, der aber abgelehnt
            wurde. Offensichtlich war meine Argumentation nicht gut genug und ich bat Hanna, einen neuen
            Antrag zu schreiben.

            Sie recherchierte einen Tag und legte mir folgendes Schreiben vor:

            Darlegung der Beweggründe für die Gewissensentscheidung
            Ich bin von meinen Eltern sehr tolerant und ohne jegliche Gewalt erzogen worden. Dadurch habe
            ich gelernt, die Meinung anderer zu akzeptieren, meine Mitmenschen zu respektieren, und auch
            Schwächere nicht zu unterdrücken, oder mir gar unterordnen. Ich bin katholisch und habe
            außerdem viele Jahre Religionsunterricht in der Schule genossen. Als eines der wichtigsten Gebote
            sehe ich die Nächstenliebe an. Auch wenn ich nicht fehlerfrei bin, so will ich doch mein Möglichstes
            versuchen, mich nach diesen Vorsatz zu richten.
            Ich verabscheue Gewalt jeglicher Art und habe mir vorgenommen, keine Waffe in die Hand zu
            nehmen. Diese Haltung habe ich auch in meinem Privatleben umgesetzt und werde das auch
            überall mit allen Mitteln durchsetzen.
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