Page 215 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die Entstehung der ersten Wortbedeutungen beim Kinde, 203
im Kaleidoskop, so wechseln in planloser Aneinanderreihung die be-
nannten Gegenstände (Tr eitel a. i. K. S. 633). Ein vortreffliches
Bild dieser Sprechweise des Kindes zeigen die Proben von Gale
in den TagesaufZeichnungen ganzer Grespräche seiner Kinder (Grale,
S. 101 ff. »words used on one day«).
Ich fasse das Ergebniss der vorigen Ueberlegungen in folgenden
Sätzen zusammen. Nachdem die Wortbedeutungen des Kindes ihren
Wunschcharakter verloren haben und gegenständlicher Natur geworden
sind, zeigen sie folgende Eigenthümlichkeiten : 1. Sie entstehen auf
Grund selir unvollständiger, nur wenig analysirter Wahrnehmungen,
bei welchen nur die eine oder andere Seite des Wahmehmungs-
objectes appercipirt wird, die nicht den Charakter von analysirten
oder abstrahirten Merkmalen trägt. Diese fesseln seine Aufmerk-
samkeit so vollständig und der Umfang seines Bewusstseins ist so
beschränkt, dass alles andere übersehen wird. Sie machen daher
ausschließlich die Wortbedeutung aus. 2. Die Wortbedeutung ist
daher concret, eine Abstraction von »Merkmalen« tritt nur in jenem
S. 197 angegebenen primitiven Grade ein. 3. Das, was das Band
bezeichnet, sind nur diese Theile oder Seiten der Wahmehmungs-
objecte, nicht die Objecto selbst, an welchen diese wiederkehren.
4. Dadurch entsteht der Schein einer fortschreitenden Verallgemeine-
rung des Wortes oder Wortinhaltes, während in Wahrheit die All-
gemeinheit des Wortes überhaupt zweifelhaft ist. Die Bildung der
Bedeutungen folgt der Regel, dass alles, was mit dem Worte durch
Contiguität assocürt werden kann, auch in den Wortinhalt aufge-
nommen wird. Das Kind weiß noch nicht, dass die Bestandtheile
einer Wortbedeutung eine logische Einheit bilden sollen, dass es
ausscheiden muss, was nicht in den logischen Zusammenhang passt.
5. Der Wortinhalt selbst trägt einen völlig alogischen Charakter und
ist das Product eines bloßen Spiels der Associationsgesetze , insbe-
sondere der associativen Uebertragung. 6. Da die Worte immer bei
einer bestimmten Gelegenheit erworben und zunächst nur auf das
zuerst benannte Individuum angewandt werden, so sind sie ihrem
richtiger Individual-
begrifflichen Charakter nach Individualbegriffe ,
benennungen, sie werden von da aus zu Benennungen aller ähnlichen
oder gleichen Seiten oder Theile der Wahmehmungsobjecte, weil sie
bei jeder Wiederkehi- der gleichen oder ähnlichen Wahmehmungs-