Page 216 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
P. 216
E- Meumann.
2Q4
theile reproducirt werden. Sie sind aber auch als Individualworte
primitiver als die des Erwachsenen, indem sie nicht als solche auf-
gefasst werden können. 7. Die Anwendung der Worte erfolgt einfach
im Sinne einer mechanisch-ausgelösten Reproduction : Diese bestimmten
Seiten des "Wahmehmungsobjectes sind mit bestimmten "Worten
associirt, wenn sie wiederkehren, wird das Wort durch sie reproducirt,
ganz unbekünmiert darum, ob andere »Merkmale«, Eigenschaften
oder Theile da sind, welche die Anwendung des Wortes im Sinne
des Erwachsenen verbieten und als fehlerhaft erscheinen lassen.
8. Die Leistung des Kindes ist daher eine scheinbar große (Heraus-
finden von Aehnlichkeiten aus sehr verschiedenen Dingen), in Wahr-
heit eine sehr einfache (primitive Vorstufe der Abstraction).
Eine indirecte Bestätigung meiner Auffassung finde ich auch hier
wieder darin, dass die spätere Entwicklung der kindlichen Wort-
bedeutung noch lange Zeit ihren concreten und zum Theil auch
ihren alogischen Charakter zeigt. Ich verweise in dieser Hinsicht
zunächst auf den sogenannten Concretismus des Kindes. Tracy
berichtet von einem Kinde, das eine kleine Münze bezeichnete als
>bahy dolJur«. »Romanes' Tochter bezeichnete mit 18 Monaten
das Schaf mit y>Mama-Bäh*, das Lamm mit »llda-Bäh*, nachdem
sie für ihren jüngeren Bruder Ernst die Bezeichnung »Ilda« erfunden
hatte«. (Rzesnizek, S. 24). Ein von Mauthner beobachtetes
Kind bezeichnete, nachdem es das Wort deta zum Familiennamen
erhoben hatte, auch die Zugehörigkeit zu dieser Familie mit deta.
So hieß z. B. der Hund des Hausvaters deta wauivau (II, S. 279).
Eine Ergänzung erhalten diese Beobachtungen durch die Reproduc-
8
welche Ziehen an — 12jährigen Schulkindern an-
tionsversuche ,
stellte. Es zeigte sich bei diesen Versuchen, dass die Kinder fast
ausnahmslos in Individualvorstellungen denken, die als solche natür-
lich concret sind. Gerade bei den intelligenten Schülern überwiegen
die Individualvorstellungen in besonders hohem Maße über die ab-
stracten Vorstellungen, während die geistig zurückgebliebenen hierin
eine vorzeitige Annäherung an den Typus des Erwachsenen zeigen.
Ein ganz besonders wichtiger Beweis für meine Auffassung der
in Rede stehenden Sprachstufe des Kindes als einer alogischen, ins-
besondere aber dafür, dass es unmöglich ist, dem einjährigen Kinde
ein höheres Maß von Analyse und Vergleichung zuzuschreiben, liegt