Page 220 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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        bezw. das gleiche Bedauern beim Kinde an, und unter dieser Constel-
        lation wird die gleiche Benennung reproducirt.  Ueberall aber, wo
        das Gremeinsame  dieser "Wahrnehmungen   die Reproduction   (nach
        meinen  obigen Ausführungen)  bestimmt,  genügt  als Keiz  für  die
       gleiche Benennung,  dass das objectiv Gemeinsame der Vorgänge
       im Kinde reproducii*end wirksam wird.    Der Erwachsene hat hier
       wohl zu scheiden zwischen dem Gremeinsamen des Erlebnisses und
       dem Erkennen des Gremeinsamen durch Analyse, Yergleichung und
       Reflexion.  Für  das Erleben des Kindes kann    die  Grleichheit der
       Vorgänge  (es geht etwas weg, das vorher da war, und umgekehrt)
       zur Anregung der gleichen Reproduction des Namens genügen, ob-
       gleich es für die vergleichende Analyse sich nur in einem abstracten
       Urtheil aussprechen lässt.
          Für  diese Gemeinsamkeit des Erlebnisses bzw.  für die reprodu-
       cirende Wirkung des   objectiv Gemeinsamen der Ereignisse kommt
       dann das schon erwähnte Aehnlichkeitsgesetz in Betracht.


         7. Die logisch begriffliche Stufe der kindlichen Wortbedeutung.

          Es ist leicht Schemata zu construiren, nach welchen die weitere
       Entwicklung der   kindlichen Wortbedeutung  vor  sich gehen muss.
       Man kann ja ohne weiteres sagen, dass, wenn die Wortbedeutungen
       anfangs zu allgemein und »dem Umfang nach zu weit« waren,      sie
       eine Beschränkung erfahren müssen,   oder  dass  unberechtigte Er-
       weiterungen durch Determination des Inhaltes corrigirt werden müssen.
       Umgekehrt wenn die Worte des Kindes anfangs zu viel determinirende
       Merkmale enthielten im Sinne des Erwachsenen,    so müssen sie er-
       weitert werden (Ament).  Aber mit dieser schematischen Darstellung
       ist nicht viel gewonnen, sie sagt uns nur, was man durch Ueberlegung
       a priori schon längst wusste.  Was dabei vollständig fehlt,  ist der
       Nachweis, durch was für eine Art von Processen die Wortbedeutungen
       zu Stande kommen, vor allem, ob das Spiel der Associationsgesetze
       zur Bildung derselben ausreicht, ob die Wortverengerungen auf einer
       Zunahme der bewussten Analyse beruhen oder auf zufälligen Ent-
       deckungen, ob und wann das Bewusstsein von der Zusammengehörig-
       keit der mit dem Worte   associirten Theilvorstellungen bezw.  ihrer
       Zugehörigkeit zu einer Klasse von Objecten vorhanden   ist, ob  die
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