Page 499 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Rdessung.
Von
Wilhelm Wirth.
Leipzig.
Mit Tafel I—m.
1. Kapitel.
Einleitung und Vorfragen.
Einleitung. Dass der umfang unseres actuellen psychischen
Lebens jeweils ein beschränkter ist und beim Auftreten neuer Vor-
stellungen im Allgemeinen andere zurücktreten müssen, gehört zu
den selbstverständlichsten Beobachtungen, die sich bei einigermaßen
zusammenhängender Betrachtung des Seelenlebens aufdrängen müssen.
Bei derartig oberflächlich schätzenden Ueberlegungen zur Feststellung
der Begrenztheit des psychischen Lebens überhaupt bleibt es natür-
lich gleichgültig, welche Zeitstrecke des bisherigen Verlaufes ins Auge
gefasst wird. Die Endlichkeit des schHeßHchen Gesaromtumfanges
ist noch von Niemandem bestritten worden, der seine Aeußerungen
unmittelbar auf die Bewusstseinsinhalte bezogen wissen wollte und
nicht auf eine Actualität im metaphysischen Sinne, wie es z, B. bei
Leibniz gemeint war. In der früheren Psychologie i) standen nun
derartige Betrachtungen ziemlich unvermittelt neben dem Versuch,
vor allem die Entstehung der größeren zeitlichen Zusammenhänge
von theoretischer und praktischer Bedeutung zu betrachten und
hierdurch die einfachste Analyse der Vorstellungsquahtäten in großen
1) TTeber die sonstige Geschichte der Messung des Bewusstseinsumfanges vgl.
auch G. Dietze, Wundt, Philos. Studien 11, S. 362 ff. und Wundt, Phüos.
Studien VI, S. 250 f.