Page 611 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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     auf den speciellefi^Orad der Beachtung mitbestimmt, wird durch eine
     Veränderung der Umgebung verändert. Man könnte höchstens meinen,
     dass bei der anderen Umgebung überhaupt eine solche maximale Be-
     achtung, je nach der sonstigen Lage der Kgur, nur in verschiedenem
     Grrade gelänge.  Diese subjective Seite der richtigen Aufmerksamkeits-
     vertheilung ist aber natürlich nur eine Sache der Einübung, während
     die inhaltliche Veränderung der Gesammtvorstellung emer isohrten
     oder irgendwie im Sehfeld verschobenen Figur niemals aufzuheben
     ist.  Für diese Einübung mögen   ja allerdings zunächst Vergleiche
     mit Isolirung der  einzelnen Elemente,  aber  wenigstens unter Bei-
     behaltung  ihrer  alten  Stelle am Platze  sein.  Die entscheidenden
     Resultate dürften trotzdem erst nach Einführung der alten Umgebung
      gewonnen werden.
         Mit größerem Recht könnte indessen   die  richtige Berechnung
     des reducirten Weiihes, mit welchem eine Unterschiedsschwelle  bei
     den Umfangsbestimmungen    in Anschlag zu bringen  ist,  für etwas
     complicirter gehalten werden, als es dui'ch das einfache Verhältniss
     der unwissentlichen zur wissenthch und speciell beachteten Ableitung
     geschah.  Jedenfalls wird  aber  die Schwelle, die in den Ausdruck
     für  den  G-esammtumfang   eingeht, nur  in ihrem Verhältniss  zur
     Schwelle bei maximaler Beachtung in Anschlag zu bringen sein, und
     hierfür ist eben u. s. gl. U. die einfache Division der angemessenste
     Ausdruck.   Da aber noch nicht ausgemacht ist, ob eine im absoluten
     Werthe   bereits  bei  maximaler Beachtung  größere  oder geringere
     Schwelle nun auch bei ihrer Ableitung unter geringerer Beachtung
     ohne Rücksicht auf diese absolute Grröße  dii-ect  proportional zum
     Grade   der  Klarheitsabnahme  vergrößert  wird,  oder  ob  kleinere
     Schwellen sich bei gleicher Klarheitsabnahme im Ganzen schneller
     vergrößern als große, oder gar umgekehi-t, so sind die Potenzen,  in
     welche die entsprechenden Werthe vor der Division zu erheben sind,
     noch nicht bestimmt. Nach der psychologischen Deutung des Web er-
     sehen Gesetzes, so wie es bisher allein für maximale Beachtung der ver-
     glichenen Gesammtintensitäten abgeleitet wurde, wird nun die verschie-
     dene Größe der Schwelle selbst bereits, wie oben erwähnt (S. 548) als
     Erfolg einer gegenseitigen Hemmung der einzelnen Elemente des Ganzen
     in ihrer apperceptiven Bedeutung zu betrachten sein, ganz analog der
     gegenseitigen Herabsetzung der Klarheit seitens der Elemente eines
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