Page 607 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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einzigen Elemente sind also die psychologischen Vorgänge hier ganz die
nämlichen wie bei der einfachen Bestimmung der Unterschiedsschwelle
zwischen zwei successiv dargebotenen Einzelelementen, abgesehen von
der gleichzeitig abgelenkten Aufmerksamkeit. Die ganze Messung
des Bewusstseinsumfanges läuft also in ihren exactesten
Formen auf eine eigenartige Anwendung der allgemeinen
psycho-physischen Methoden hinaus und werden schließlich
die Resultate über den gesammten messbaren Umfang eine ganz
entsprechende Formulirung zulassen. Erinnert man sich der
längst anerkannten reichen Zusammensetzung des Bewusstseinshinter-
grundes aus zahllosen Elementen mit immer mehr abnehmender Klar-
heit, so werden sich je nach der verschiedenen Configuration des
Urcomplexes sozusagen Reihen von verschiedener Gliederzahl und einer
mit dieser Zahl immer mehr abnehmenden Grröße des Präcisions-
maßes ergeben, wie es der gefundenen Unterschiedsschwelle für ein
bestimmtes Glied des Complexes indirect proportional ist. Nur die
Summe dieser Reihe, die aus den einzelnen Präcisionsmaßen als
Gliedern besteht — die Qualität kommt ja hier zunächst nicht in Be-
tracht— , braucht für die Momente ungefähr gleich zu sein, für welche
eine ungefähre Constanz des Umfanges vorhanden sein soll. Die
Eintheüung der verschiedenen Gheder in die constante Summe wird
je nach der Zusammensetzung des Urcomplexes wechseln (gleichgültig
ob willkürliche oder unwillkürliche Concentration oder Düatation statt-
findet). Der verschiedene Grad der Concentration, der objectiv gleichen
Complexen gegenüber erlebt ist, wird sich dabei je nachdem in einer
engeren Zusammengehörigkeit von Unterabtheilungen der ganzen Reihe
durch eine gleiche mittlere und von anderen Gruppen deutlich ab-
weichende Größe des Präcisionsmaßes bezw. in einer allmählicheren
Abgestuftheit desselben äußern müssen. Zur Erzielung constanter
Resultate ist es natürlich wichtig, gleichen Complexen gegenüber
auch die nämliche Art dieser Aufmerksamkeitseinstellung vorzunehmen,
die natürlich, wie schon zu Anfang besonders betont wurde (S.500),
niemals durch den objectiven Reizbestand allein bestimmt ist. Nur
dann werden sich ja die in mehreren Versuchen mit Variation und
Differenz für die verschiedenen Stellen gefundenen Unterschieds-
schwellen zu einem richtigen Werth des Gesammtumfanges zusammen-
schließen.
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