Page 605 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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Inhalte arbeiten, bereits voraussetzen.
Jedenfalls ist diese Sicher-
heit der Erinnerung nach jener zu Anfang mehrfach erwähnten Regel
von dem Bewusstseinsgrade aller einzelnen Elemente im unmittelbaren
Erleben abhängig. Ein theilweise unklarer Complex kann also beivöUiger
Gleichheit des Vergleichsobjectes (natürlich in seinem augenblickUchen
subjectiven Erfolge), wie bei der Methode der unmittelbaren Wieder-
gabe, jene Unsicherheit nur ganz entsprechend zum Ausdrucke bringen.
Offenbar wäre aber mit der bloßen Angleichung an übereinstimmende
Vergleichsobjecte auch nur ein verschwindend kleiner Theil der mög-
lichen Wirkungen der unklar erlebten Elemente ausgenützt.
Ent-
halten ja doch gerade die Grenzen der Unsicherheit, welche
nach jener Annahme von dem Bewusstseinsgrad beim Erleben ab-
hängig sind, ein wichtiges Moment in sich, welches die Leistungs-
fähigkeit des Elementes erst recht zur Geltung kommen lässt. Es
ergibt sich also trotz der Unklarheit des Elementes ein sicheres Ver-
gleichsurtheil, und zwar ein Verschiedenheitsbewusstsein, sobald wir eine
Variation des Vergleichsobjectes vornehmen und die Abweichung
des Vergleichsobjectes an der entsprechenden Stelle die
»Unterschiedsschwelle« übersteigen lassen. Damit aber die
Vertheilung der Aufmerksamkeit sich nicht der zu variirenden Stelle
zuwendet, wodurch deren eventuell bei der constanten Einstellung re-
lativ geringer Klarheitsgrad erhöht würde, muss natürlich die
Stelle der Variation des hier tachistoskopisch dargebotenen
Vergleichsobjectes im Voraus gänzlich unbekannt sein.
Dafür bedarf es aber auch in jedem Versuche einer Reihe immer
nur je einer einzigen Veränderung von verschiedener Größe
innerhalb des ganzen Bestandes, und eines entsprechenden
Wechsels der veränderten Stelle in den verschiedenen
Versuchen (bis zur Durchnahme sämmtlicher Stellen des ganzen
Complexes). So weit sich unter den übrigen, bereits be-
kannten Bedingungen noch ein richtiges Unterschieds-
bewusstsein bei einer solchen Variation mit Sicherheit
einstellt, so weit reicht mindestens der Umfang des simul-
tanen optischen Bewusstseins. Die Differenz aber, welche
zur Erzielung eines solchen Unterschiedsbewusstseins an
einer bestimmten Stelle nothwendig ist, also die Unter-
schiedsschwelle unter diesen speciellen Aufmerksamkeits-
Wundt, PWlos. Studien. XI. 38