Page 609 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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             Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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        8) Reduetron-der gefundenen Unterschiedsschwellen zu
     einem vergleichbaren Maße des Bewusstseinsgrades für die
     verschiedenen Elemente.       Es  ist  in  dieser Formulirung noch
     nicht auf die charakteristische Qualität Rücksicht genommen worden,
     die an den einzelnen Stellen vorhanden  ist.  Alle secundären Frage-
     stellungen über das Maß des gesammten möglichen Klarheitsumfanges,
     welches verschiedene Urcomplexe je nach den inneren qualitativen Be-
     ziehungen der Einzelelemente und je nach der Einfachheit ihrer An-
     ordnung  u.  s. w. in Anspruch nehmen,  die vor allem  in der oben
     erwähnten Schrift von Th. Lipps über die Quantität in psychischen
     Gesammtvorzügen discutirt wurden, kommen in dieser allgemeinsten
     Formulirung für das Experiment erst recht zur Geltung.  Sie werden
     eben verschiedene Gliederungen oder Größenverhältnisse zwischen den
     Einzelgliedem innerhalb der ganzen gesuchten Reihe, bezw. des ge-
     suchten Stückes der Reihe darstellen. Das allgemeinste und theoretisch
     wichtigste Object bildet bei diesen tJmfangsbestimmungen jedenfalls ein
     solcher ürcomplex, bei welchem möglichst große Unabhängigkeit der
     einzelnen Elemente und damit zugleich eine mögHchst große Coordi-
     nation der einzelnen Theile und ein weniger complicirtes Hineinspielen
     höherer Untereinheiten des Ganzen  in  die Klarheitsvertheilung ge-
     währleistet  ist. Nun sind aber natürlich auch die gefundenen
     Unterschiedsschwellen der verschiedenen Elemente nicht
     so unmittelbar    in  ihren absoluten Maßen vergleichbar.
     Eine intensivere Quahtät würde ja  z. B. schon nach dem Weber
     sehen Gesetz  eine  größere Unterschiedsschwelle  mit  sich bringen.
     Allerdings muss  für  eine  größere  Coordination im Ganzen  eine
     größere  Aufdringlichkeit  eines  Elementes  nach  einer bestimmten
     Richtung durch entsprechende andere ebenso hervortretende Eigen-
     thümlichkeiten  der übrigen Figuren compensirt werden,  damit  die
     Unterscheidung nicht in ein Hervortreten einzelner weniger Elemente
               Da aber trotzdem aus der Form und Lage der Elemente
     ausartet.
     zu viele Abweichungen der rein objectiven Vergleichsbedingungen sich
     ergeben, so wäre es für jede beliebige Combination überhaupt unmöghch,
     die Unterschiedsschwellen nur nach der absoluten »Intensität« der je-
     weils variirten Quahtät, etwa unter gleichzeitiger Berücksichtigung des
     Weber'schen Gesetzes, auf ein vergleichbares Präcisionsmaß zui-ück-

     zufUhren,  welches  nicht mehr  die Abhängigkeit der Unterschieds-
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