Page 616 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
P. 616
604 Wilhelm Wirth.
augenblicklichen Concentrationslage. Nur muss eben die Unwissent-
lichkeit der hierzu ausgewählten Stellen durch eine möglichst gleich
häufige Variation aller Elemente des ganzen Complexes völlig aufrecht
erhalten werden, wenn auch nur für jene wenigen Stellen durch all-
mähliche Abstufung der Variationsgröße die Unterschiedsschwelle
genauer festgestellt wird. Denn nur bei dieser Ausdehnung der Er-
wartung einer Variation auf den gesammten Complex ist auch
wirklich eine größere Herabsetzung des Bewusstseinsgrades der Einzel-
elemente mit Steigerung der Anzahl der Elemente möglich. Bei Ein-
schränkung der Erwartung auf einige wenige Stellen werden hingegen
die unverändert bleibenden Elemente gemäß der allgemeinen Vor-
bereitung des Beobachters allmählich ganz von selbst eine vom
»Hintergrund« nicht mehr viel verschiedene Stelle innerhalb des
Urcomplexes spielen.
11) Die Ableitung qualitativ analoger Unterschieds-
schwellen in der bisherigen Psychophysik — Veränderungs-
schwellen. In den bisherigen Darlegungen konnte noch in keiner
Weise eine genauere Angleichung an die bisherigen Methoden der.
Psychophysik im Einzelnen vorgenommen werden, da vor Allem noch
keine bestimmten qualitativen Verhältnisse eingeführt wurden und
die Auswahl derselben für diese allgemeinste Fragestellung überhaupt
erst noch von einer längeren experimentellen Erfahrung in dieser
ganz speciellen Richtung abhängig sein wird. Jedenfalls ist aber
schon in rein formaler Hinsicht so viel gewiss, dass sich diese An-
gleichung nur auf diejenigen Feststellungen der Unterschiedsschwelle
beziehen könnte, bei welchen die zu unterscheidenden Inhalte in der
nämlichen Weise, insbesondere in derselben zeitlichen Beziehung zu
einander dargeboten wurden, wie es hier geschieht. Bei den Versuchen
mit beliebig wiederholter tachistoskopischer Exposition des ersten
Complexes und einmaliger des zweiten in bestimmten Zwischenpausen
ist es das nämliche Verhältniss wie bei der successiven, zeitlich deut-
lich unterschiedenen Darbietung der beiden zu vergleichenden Einzel-
objecte, die in der Psychophysik aller Sinnesgebiete, abgesehen vom
Gresichtssinn, schon immer zur Anwendung kam, nur beim Gresichts-
sinn wird wegen der AdaptationsVeränderungen durch das erste Object
eine Succession an der gleichen Stelle vermieden, sobald es sich