Page 618 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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606                       Wilhelm Wirth.

       Verhältnisses der Unterschieds-, bezw. Veränderungsschwelle bei ver-
       schiedenen Bewusstseinsgraden  abgeleitet wurde.  Diese  ist  ja nur
       davon abhängig, dass die Größe der eben merklichen momentanen
       Veränderung  als solche  bei  ihrer  einfachen Behandlung nach der
       alten psychophysischen Methode, die sich zunächst nur auf eine einzige
       bestimmte  Vergleichung  bezieht, dem Weber'schen    Gesetze  hin-
       reichend Folge leistet, und gerade dies ist ja bereits in den Stern-
       schen Resultaten  zur Genüge zum Ausdruck gekommen.       Die be-
       sondere Differenz zwischen der Region des directen und des indirecten
       Sehens, wonach in letzterer sogar eine feinere »Veränderungsempfind-
       lichkeit«  besteht,  wird  natürlich  nicht etwa  die Herabsetzung der
       Bewusstseinsgrade  innerhalb  der  Peripherie  bei  gleich  intensiver
       Concentration auf  die Mitte compensiren.  Sie verändert ja nur die
       absoluten Größen der zur Merklichkeit nothwendigen Veränderung
       und compensirt dadurch allerdings für gleiche absolute Verände-
       rungen einigermaßen den praktischen Nachtheil, der aus der gewöhn-
       lichen Klarheitsvertheilung entspringt.  Für die bei unserer Methode
       allein  in Betracht kommenden Verhältnisswerthe werden       aber
       auch diese Unterschiede aus dem Gesammtwerth der gesuchten Reihe
       herausfallen.
          Schließlich wird auch noch die qualitative Besonderheit des ganzen
       Vorganges der Veränderung für unsere Ueberlegung zu berücksichtigen
       sein,  die auch von Stern mit Recht hervorgehoben wird, und die
       besonders bei der instantanen Variation hin und zurück an einer be-
       stimmten Stelle des continuirlich fortbestehenden Gesammtcomplexes
       recht deutlich an den Vorgang einer »Bewegung am Ort« erinnert, selbst
       wenn die momentane Helligkeitsveränderung auf der ganzen varürten
       Stelle noch so simultan erfolgt, wie es bei dem unten beschriebenen
       Apparat  sicher möglich  ist.  Man könnte nun glauben,   dass eine
       einzige solche tachistoskopische Veränderung, auf deren Feststellung
       es ja nach unserer Methode allein ankommt, nachdem    sie in ihrem
       Wesen als Veränderungsqualität überhaupt einmal durch einige über-
       merkliche Veränderungen bekannt geworden sei, weiterhin nun ohne
       besondere Beachtung   der  Einzelheiten  des  Urcomplexes  an  jeder
       beliebigen  Stelle noch  viel leichter und  sicherer aufgefasst werden
       könne,  als ein einzelner schwarzer Strich auf einem tachistoskopisch
       dargebotenem gleichförmigem Felde  sicher aufgefasst werde.  Denn
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