Page 622 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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610                       Wilhelm Wirth.
       zufälligen (nicht einmal notliwendig optischen) störenden Begleitwahr-
       nehmungen bei  der  tachistoskopischen Darbietung  des Vergleichs-
       objectes  angegeben,  die  mit  der Variation  des Vergleichsobjectes
      nichts zu thun haben.  Ein exactes vergleichbares Maß der Wirkung,
      die als Bestimmung der Unterschiedsschwelle dienen soll, besteht also
      nur dann, wenn nur ein ebenso klares Hervortreten der variirten Stelle
      als directe Folge der Variation als Kriterium des gesuchten Schwellen-
      werthes zugelassen wird, wie es auch bei den gewöhnlichen Schwellen-
      bestimmungen der Fall  ist.  Die Klarheit der Veränderung selbst ist
      dabei, wie schon gelegentlich erwähnt, deshalb besonders hervorzuheben,
      weil auch öfters durch wenig untermerkliche Variationen nachträg-
      lich die volle Aufmerksamkeit auf die Stelle hingezogen wird, ohne
      dass der Klarheitsgrad der Veränderung im unmittelbaren Erleben
      dazu ausreichte,  als Erkenntniss  einer Variation der Stelle festge-
      halten zu werden.  Für die einzige Variation, welche nach der oben
      skizzirten Methode vorgenommen wird, sind also ganz die nämhchen
      Bedingungen zu erfüllen, wie früher bei der einfachen Methode der
      directen Wiedergabe nach einer tachistoskopischen Exposition. Diese
      Variation muss ebenfalls »maximale« Klarheit in jenem
      dort näher bezeichneten Sinne erlangen, um als Verschie-
      denheit sicher gemerkt und wiedergegeben             zu werden,
      wenn auch hier im Unterschiede von der dortigen Methode hinter-
      drein nichts über die einzelnen Elemente des Urcomplexes im Ganzen
      ausgesagt zu werden braucht.    Diese  plötzlich  eintretende,  völlig
      andere Vertheilung der  Klarheitsverhältnisse,  die  in diesem  Falle
      besonders dann eine besonders eingreifende Verschiebung bedeutet,
      wenn eine zunächst   sehr wenig beachtete  Stelle  durch  eine  ent-
      sprechend  große  Variation  sozusagen  hervorspringt,  ändert  aber
      natürlich deshalb nichts an allen bisherigen Ausführungen, weil sie
      eben erst die zeitliche Folge der vorhergehenden Confi-
      guration der Bewusstseinsgrade ausmacht.           Die Größe der
      inhaltlichen Veränderung, welche für dieses Aufsteigen der Stelle zu
      maximaler Klarheit nothwendig  ist, wird  sich, wie schon  öfters  er-
      wähnt, von der ursprünglichen und bei jedem Versuch zunächst
      Constanten Aufmerksamkeitsvertheilung abhängig erweisen und ist
      gerade deshalb als das brauchbarste indirecte Maß für diese ursprüng-
      liche Vertheilung anzusehen.  Der ganze Process ist bekanntlich ein
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