Page 41 - Grete Minde
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»Ja, sie sind aufgehoben. Aber 's gibt ihrer doch noch, hier und überall im Land. Und
obwohlen unser alter Roggenstroh alle Sonntage gegen sie predigt, es hilft ihm nichts, sie
bleiben doch. Und warum bleiben sie? Weil sie den adligen Anhang haben. Und oben in
Cölln an der Spree, na, das weiß man, da sitzen auch die Junkerchen zu Rat und drücken
ein Auge zu.«
»Gut, gut. Meinetwegen. Lassen wir die Junker und die Nonnen. Es muß auch Nonnen
geben. Nicht wahr, Zenobia?«
Diese zog ihre rote Drapierung nur noch fester um ihre Schultern und schwieg in
königlicher Würde weiter.
»Un hebben fifteig'n Nonnen dato! Wahrhaftig. Wirt, das habt Ihr gut gemacht, sehr gut. Ihr
könnt't uns die Stücke schreiben. Was meinst, Nazerl, wir haben schon schlechtre gehabt!
Aber singen wir; du singst vor, Matthes.«
Und der Angeredete, der seinem starr und aufrecht stehenden roten Haare, vor allem aber
seinen linsengroßen Sommersprossen nach der einzig Plattdeutsche von der Gesellschaft
zu sein schien, intonierte mit heiserer Stimme: »Kaiser Karolus sien bestet Peerd.«
»Nicht doch, nicht doch«, fuhr der mit der Narbe dazwischen, »das kann Zenobia nicht
hören; das singen ja die Knechte. Sing du, Hinterlachr. Aber was Feins und Zierlichs.«
Und Hinterlachr sang:
»Zu Bacharach am Rheine,
Da hat mir's wohlgetan,
Die Wirtin war so feine,
So feine,
Und als wir ganz alleine...«
»Ach, dummes Zeug. Immer Weiber und Weiber. Aber sie denken nicht dran; und am
wenigsten, was eine richtige Wirtin ist. Sie lachen dich aus. Nazerl, mach du dein Sach.
Aber nichts von den Weibern; hörst du. Halt dich an das!« Und dabei schob er ihm eine
frische Kanne zu, die der Wirt eben hereingebracht hatte.
Und Nazerl hob an:
»Der liebste Buhle, den ich hab,
Der liegt beim Wirt im Keller,
Er hat ein hölzins Röcklein an
Und heißet Muskateller:
Hab manche Nacht mit ihm verbracht,
Er hat mich immer glücklich 'macht,
glücklich 'macht,
Und lehrt mich lustig singen.«
»Das ist recht. Der liebste Buhle, den ich hab... das gefällt mir. Der Nazi hat's getroffen.
Was meinst, Zenobia?«
Und alle wiederholten den Vers und stießen mit ihren Kannen und Bechern zusammen.
»Ihr müßt nicht so lärmen«, sagte jetzt der, der mit »Bacharach am Rheine« so wenig
durchgedrungen war. »Er liegt grad über uns, und ich glaub, er macht es nicht lange
mehr.«
Zenobia nickte.