Page 125 - Was will Gott_Neat
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DIE SECHSTE BITTE
Und führe uns nicht in Versuchung
Wir haben nun genug davon gehört, was für Mühe und
Arbeit wir haben, dass man das alles, worum man bit-
tet, erhält und behält und dass es dennoch nicht ohne
Schwierigkeiten und Straucheln abgeht; auch wenn wir
Vergebung und gutes Gewissen bekommen haben und
ganz freigesprochen wurden, so läuft es im Leben doch
so, dass heute einer fest steht und morgen davon abfällt.
Darum müssen wir fortwährend bitten, auch wenn wir
fromm sind und Gott gegenüber ein reines Gewissen
haben, dass er uns nicht in Versuchung und Anfechtung
fallen lässt. Die Versuchung oder Betörung ist dreier-
lei: die des Fleisches, der Welt und des Teufels. Denn
im Fleisch wohnen wir und haben den alten Adam am
Hals, der regt sich und reizt uns täglich zur Unzucht,
Faulheit, Fressen und Saufen, Geiz und Schwindelei
und den Nächsten zu betrügen und zu übervorteilen,
zusammengefasst, allerlei böse Lüste, die uns von Natur
ankleben und dazu durch die Gesellschaft, durch Bei-
spiele anderer Leute, Hören und Sehen, welche oftmals
auch ein unschuldiges Herz verwunden und besiegen
können.
So ist die Welt, die uns mit Worten und Werken
beleidigt und zu Zorn und Ungeduld treibt. Da ist
nichts als Hass und Neid, Feindschaft, Gewalt und Un-
recht, Rächen, Fluchen, Schelten, Nachrede, Hoffart
und Stolz mit überflüssigem Schmuck, Ehre, Ruhm
und Gewalt, weil niemand der Geringste sein will, son-
dern man will oben sitzen und von jedermann gesehen
werden. Dazu kommt noch der Teufel: Überall hetzt er
und stachelt er auf; vor allem aber ist er dort am Werk,
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