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DIE SECHSTE BITTE
            Und führe uns nicht in Versuchung

            Wir haben nun genug davon gehört, was für Mühe und
            Arbeit wir haben, dass man das alles, worum man bit-
            tet, erhält und behält und dass es dennoch nicht ohne
            Schwierigkeiten und Straucheln abgeht; auch wenn wir
            Vergebung und gutes Gewissen bekommen haben und
            ganz freigesprochen wurden, so läuft es im Leben doch
            so, dass heute einer fest steht und morgen davon abfällt.
            Darum müssen wir fortwährend bitten, auch wenn wir
            fromm sind und Gott gegenüber ein reines Gewissen
            haben, dass er uns nicht in Versuchung und Anfechtung
            fallen lässt. Die Versuchung oder Betörung ist dreier-
            lei: die des Fleisches, der Welt und des Teufels. Denn
            im Fleisch wohnen wir und haben den alten Adam am
            Hals, der regt sich und reizt uns täglich zur Unzucht,
            Faulheit, Fressen und Saufen, Geiz und Schwindelei
            und den Nächsten zu betrügen und zu übervorteilen,
            zusammengefasst, allerlei böse Lüste, die uns von Natur
            ankleben und dazu durch die Gesellschaft, durch Bei-
            spiele anderer Leute, Hören und Sehen, welche oftmals
            auch ein unschuldiges Herz verwunden und besiegen
            können.
                So ist die Welt, die uns mit Worten und Werken
            beleidigt und  zu Zorn und  Ungeduld  treibt.  Da ist
            nichts als Hass und Neid, Feindschaft, Gewalt und Un-
            recht, Rächen, Fluchen, Schelten, Nachrede, Hoffart
            und Stolz mit überflüssigem Schmuck, Ehre, Ruhm
            und Gewalt, weil niemand der Geringste sein will, son-
            dern man will oben sitzen und von jedermann gesehen
            werden. Dazu kommt noch der Teufel: Überall hetzt er
            und stachelt er auf; vor allem aber ist er dort am Werk,



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