Page 1057 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Fünfundvierzigstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Was in der Schlacht besser ist, den Angriff des Feindes auszuhalten
und dann zum Gegenstoß zu schreiten oder gleich ungestüm auf ihn
loszugehen.
Die römischen Konsuln Decius und Fabius standen dem Heer der
Samniter und Etrusker gegenüber, und es kam zum Kampfe. 295 v. Chr.
in der Schlacht bei Sentinum. Die Konsuln waren Quintus Fabius
Rullianus und Publius Decius Mus, dessen Vater sich 340 v. Chr. in der
Schlacht am Vesuv geopfert hatte. In dieser Schlacht war das Verfahren
der beiden Konsuln ganz verschieden, und es fragt sich, welches das
bessere war. Decius ging mit größtem Ungestüm und mit seiner ganzen
Macht auf den Feind los; Fabius hielt den feindlichen Angriff nur aus, da
er einen langsamen Angriff für nützlicher hielt, und sparte seine Kraft bis
zuletzt auf, wo der Feind seine Kampflust verloren hatte und seine Hitze
verraucht war. Der Erfolg zeigt, daß der Plan des Fabius weit besser
gelang als der des Decius. Denn dieser mattete sich beim ersten Angriff
so ab, daß er seine Truppen der Flucht nahe sah. Um nun durch den Tod
den Ruhm zu erwerben, den er durch den Sieg nicht erringen konnte,
opferte er sich selbst nach dem Beispiel des Vaters für die römischen
Legionen auf. Als Fabius dies erfuhr, rückte er, um lebend nicht weniger
Ehre einzulegen als sein Amtsgenosse sterbend, mit allen seinen
Reserven vor und erfocht einen glänzenden Sieg. Man ersieht daraus,
daß das Verfahren des Fabius sicherer und nachahmenswerter ist.
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