Page 158 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Folgendermaßen demnach wollen wir versuchen, festzustellen, ob es das
                Nemliche oder gegenseitig verschieden sei. – In welcher Weise? – Klar
                ist, daß das Nemliche niemals in der nemlichen Beziehung und gegen

                das Nemliche zugleich das Entgegengesetzte wird thun oder leiden
                wollen, so daß, falls wir etwa finden sollten, daß Solches bei jenen
                stattfinde, wir gewiß wissen werden, daß sie nicht das Nemliche, sondern
                eben ein Mehreres seien. – Weiter. – Erwäge demnach, was ich sage. –
                Sage es nur. – Daß also, sprach ich, das Nemliche in der nemlichen
                Beziehung zugleich völlig ruhig stehe und bewegt werde, ist dieß wohl
                möglich? – In keiner Weise. – Noch genauer jedoch wollen wir uns

                hierüber verständigen, damit es uns nicht im weitern Verlaufe streitig
                werde; wenn nemlich Jemand von einem Menschen, welcher ruhig steht,
                aber die Hände und den Kopf bewegt, sagen würde, daß dann der
                Nemliche zugleich ruhig stehe und in Bewegung sei, so würden wir,
                glaube ich, wohl fordern, daß man nicht so sich ausdrücken solle,
                sondern derartig, daß das Eine an ihm stehe, das Andere aber in

                Bewegung sei; oder nicht so? – Ja wohl, so. – Nicht wahr also, auch
                wenn der Urheber jener Behauptung noch köstlicher in der feineren
                Wendung es ausdrücken würde, daß ja der Kreisel als ganzer zugleich
                ruhig stehe und in Bewegung sei, wenn er an der nemlichen Stelle mit
                seiner Spitze feststehend sich dreht, oder auch daß irgend ein anderes
                Ding, welches an der nemlichen Stelle im Kreise herumgeht, dieß thue,
                so würden wir auch dieß uns nicht gefallen lassen, weil ja dann nicht in

                ihrer nemlichen Beziehung diese Dinge ruhig verharren und zugleich
                sich drehen; sondern wir würden sagen, daß sie in sich selbst sowohl ein
                Geradliniges, als auch ein Kreisliniges enthalten, und daß sie bezüglich
                des Geradlinigen ruhig stehen, denn mit diesem schwanken sie nach
                keiner Seite hin, hingegen bezüglich des Kreislinigen sich im Kreise
                herum bewegen; wann sie aber mit ihrer geraden Richtung zugleich

                auch, während sie sich drehen, nach Rechts oder Links oder nach Vornen
                oder Hinten hin schwanken, dann können sie in keiner Beziehung ruhig
                stehen. – Ja, so ist es richtig, sagte er, – Nichts Derartiges also wird,
                wenn man es vorbringt, uns erschrecken oder irgend in höherem Grade
                uns davon überzeugen, daß das Nemliche in der nemlichen Beziehung
                gegen das Nemliche etwa zugleich das Entgegengesetzte thun oder sein
                oder leiden könne. – Nein, mich wenigstens, sagte er, wird es nicht

                überzeugen, – Doch aber, sprach ich, um nicht genöthigt zu sein, alle
                derartigen Einwände durchzugehen und in ihrer Unwahrheit sicher
                nachzuweisen und hiedurch die Sache zu lange hinauszudehnen, wollen
                wir als Voraussetzung zu Grunde legen, daß es sich so verhalte, und





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