Page 162 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Anderweitiges in ihr sein, als dasjenige, was in ihr das Dürstende und
                gleich einem Thiere zum Trinken Hindrängende ist? denn nicht ja kann
                wohl, sagten wir Cap. 12. Außer diesem allgemeinen Grundsatze aber

                gehörte zur Vollgültigkeit der Behauptung, daß der Gegenzug gegen den
                Durst etwas vom Durste Verschiedenes sein müsse, eben jene ziemlich
                lang ausgesponnene Beweisführung, daß der Durst an sich als solcher
                nichts Weiteres, als nur den Trank an sich als solchen begehre; denn
                gesetzt, es läge in dem Durste selbst schon auch eine qualitative
                Bestimmtheit, so wäre ja die Möglichkeit gegeben, daß innerhalb des
                Durstes selbst ein Gegenzug bestände, z. B. daß der Durst nach Vielem

                dem Durste nach Wenigem entgegengesetzt wäre, und also keine
                anderweitige psychische Thätigkeit zur Erklärung des vorkommenden
                Gegenzuges erfordert würde; wenn hingegen der Durst seinem Wesen
                nach nur auf »Trank überhaupt« gerichtet ist, so muß das »nicht trinken
                wollen« von einer völlig anderen psychischen Macht herrühren., das
                Nemliche vermittelst seines Nemlichen betreffs des Nemlichen zugleich

                das Entgegengesetzte verüben. – Nein, allerdings nicht. – Sowie es
                nemlich auch, glaube ich, betreffs des Bogenschützen nicht richtig ist, zu
                sagen, daß seine Hände zugleich die Sehne abstoßen und zurückspannen,
                sondern eine Hand die abstoßende und eine hievon verschiedene die
                zurückziehende ist. – Ja wohl, völlig so, sagte er. – Werden wir denn nun
                behaupten, daß zuweilen Einige, welche dürsten, nicht trinken wollen? –
                Ja wohl, sagte er, von Vielen und in vielen Fällen. – Was also, sprach ich,

                möchte man wohl betreffs dieser behaupten? nicht etwa, daß in ihrer
                Seele das Antreibende sich befinde, aber auch das Verhindernde sich
                befinde, welches ein von dem Antreibenden Verschiedenes und dasselbe
                Bewältigendes ist? – So scheint es mir wenigstens, sagte er. – Stellt sich
                also nicht etwa bei Derartigem das Verhindernde, wenn es sich einstellt,
                in Folge einer Vernunftthätigkeit ein, das Hintreibende aber und das

                Hinziehende, stellt sich dieß nicht vermittelst leidenschaftlicher und
                krankhafter Zustände daneben hin? – Ja, so zeigt sich’s. – Nicht
                unbegründeter Weise demnach, sprach ich, werden wir die Zumuthung
                aussprechen, daß jene ein doppeltes und gegenseitig verschiedenes seien,
                indem wir das Eine, vermittelst dessen sie vernünftig erwägt, eben das
                Vernünftige der Seele nennen, das Andere aber, vermittelst dessen sie
                liebt und hungert und dürstet und in den übrigen Begierden dahinflattert,

                das Unvernünftige und Begehrliche, welches ein Gefährte der Völlerei
                und der Vergnügungen ist. – Nein, nicht unbegründeter Weise, sondern
                aus guten Gründen, sagte er, möchten wir wohl dieser Ansicht sein. –
                Diese also, sprach ich, mögen uns hiemit als zwei in der Seele





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