Page 166 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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erzeugen, indem sie das Eine durch treffliche Reden und Kenntnisse
                anspannt und pflegt, das Andere aber herabspannt und beschwichtigt,
                durch Harmonie und Rhythmus es besänftigend? – Ja wohl, gar sehr,

                sagte er. – Und jene beiden demnach sollen, wenn sie so gepflegt wurden
                und in Wahrheit das Ihrige gelernt haben und ihre Bildung erhielten,
                dann die Vorsteher des Begehrlichen sein, welches ja in Jedem der größte
                Theil seiner Seele und von Natur aus in Bezug auf Geld das
                unersättlichste ist; und dieses sollen jene beobachten, damit es nicht
                durch Anfüllung mit den sogenannten leiblichen Vergnügungen ein
                ausgedehntes und mächtiges werde und hiedurch seinerseits es

                unterlasse, das Seinige zu thun, sondern im Gegentheile es etwa
                versuche, jene Formen zu knechten und eine ihm nicht gebührende
                Herrschaft über sie auszuüben, und sodann das gesammte Leben aller
                Formen umstürze. – Ja allerdings, sagte er. – Es werden also wohl,
                sprach ich, jene beiden auch vor den äußeren Feinden am trefflichsten
                die gesammte Seele und den Körper bewahren, indem das Eine das

                berathende ist, das Andere aber das vorkämpfende, welches zugleich
                auch dem Herrschenden folgt und mit Tapferkeit die Rathschläge
                vollführt? – Ja, so ist es. – Und einen Tapferen demnach, glaube ich,
                werden wir jeden Einzelnen vermöge dieses seines Theiles nennen, wenn
                das Muthige trotz Schmerzen und Vergnügungen das von der Vernunft
                bezeichnete Furchtbare und nicht Furchtbare bewahrt. – Ja, mit Recht,
                sagte er. – Einen Weisen aber nennen wir ihn ja vermöge jenes kleinen

                Theiles, welcher in ihm herrscht und solches vorschreibt, indem dieser
                hinwiederum auch das Wissen in sich enthält über das jedem einzelnen
                Theile und dem aus den dreien gemeinsam vereinigten Ganzen
                Zuträgliche. – Ja, allerdings. – Wie aber? einen Besonnenen nennen wir
                ihn doch wohl vermöge der Liebe und des Einklanges zwischen eben
                diesen, wann nemlich das Herrschende und die beiden

                Beherrschtwerdenden darin übereinstimmen, daß das Vernünftige
                herrschen müsse, und sie nicht Aufruhr gegen dasselbe erheben. –
                Besonnenheit wenigstens, sagte er, ist nichts Anderes als dieses, sowohl
                beim Staate als auch beim einzelnen Bürger. – Aber nun ein Gerechter ja
                ist er vermöge desjenigen und in derjenigen Weise, wie wir dieß nun
                schon oft gesagt haben. – Ja, durchaus nothwendig ist dieß. – Wie aber
                nun? sprach ich; daß uns nicht etwa die Gerechtigkeit doch derartig

                abgestumpft wird, daß sie zuletzt uns etwas Anderes zu sein scheint, als
                wie sie sich im Staate uns zeigte? – Mir wenigstens, sagte er, scheint es
                nicht. – Folgendermaßen nemlich, sprach ich, könnten wir wohl, falls
                Etwas bei der Einzeln-Seele hierüber noch streitig sein sollte, es





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