Page 168 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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die drei Theile, so ziemlich wie drei Gränzen der musikalischen Töne,
nemlich wie die höchste, tiefste und mittlere Saite der Lyra, nebst den
noch etwa übrige Mittelgliedern, mit einander vereinige und all dieses
zusammenbindend vollständig ein Einer aus Vielen werde, und als ein
Besonnener und harmonisch Gestimmter so denn nun seine Thätigkeit
verübe, sei es bezüglich des Gelderwerbes oder bezüglich der
Körperpflege oder als Staatsmann oder betreffs des Einzeln-Verkehres,
wobei er in diesem Sämmtlichen jene Handlung als gerecht und trefflich
erachtet und bezeiget, welche eben diesen Zustand bewahrt und in’s
Werk setzt, als Weisheit aber jenes Wissen erachtet und bezeichnet,
welches diesem Handeln vorsteht, hingegen als ungerechte Handlung
jede, welche diesen Zustand auflöst, und als Unwissenheit hinwiederum
die diesem Handeln vorstehende Meinung. – Ja durchaus wahr, o
Sokrates, sagte er, sprichst du da. – Weiter, sprach ich; den gerechten
Mann also und den gerechten Staat und die Gerechtigkeit selbst, was sie
in ihnen sei, gefunden zu haben, möchten wir nun wohl behaupten, und
schwerlich, glaube ich, hiemit eine Unwahrheit zu sagen scheinen. –
Nein, wahrlich bei Gott nicht, sagte er. – Wollen wir es also behaupten?
– Ja, wir wollen es behaupten. –
18. So sei dieß denn so, sagte ich; nach diesem nemlich müssen wir
nun, glaube ich, die Ungerechtigkeit erwägen. – Ja, dieß ist klar. – Nicht
wahr also, ein Aufruhr hinwiederum jener drei Theile muß sie sein und
eine Vielgeschäftigkeit und eine Geschäftigkeit in fremden Dingen und
eine Selbsterhebung irgend eines einzelnen Theiles gegen das Ganze der
Seele, um in ihr wider Gebühr zu herrschen, während doch ein solcher
Theil von Natur aus derartig ist, daß es ihm geziemt, dienstbar
demjenigen zu sein, was zur Gattung des Herrschenden gehört; ungefähr
Solches, glaube ich, und die Unordnung und Verwirrung von all diesem,
werden wir sagen, sei die Ungerechtigkeit und Ziellosigkeit und Feigheit
und Unwissenheit und überhaupt jedwede Schlechtigkeit. – Ja wohl,
eben dieses, sagte er. – Nicht wahr also, sprach ich, auch das Verüben
des Ungerechten und das Unrechtthun und hinwiederum auch das
Rechtthun, all dieses ist uns jetzt in deutlicher Weise klar, woferne es uns
die Ungerechtigkeit und die Gerechtigkeit ist? – Wie so? – Daß nemlich,
sagte ich, dasselbe in Nichts sich von dem Gesunden und Kranken
unterscheide, sondern wie jenes im Körper, so dieß in der Seele sich
verhalte. – In wieferne? sagte er. – Das Gesunde erzeugt doch wohl
Gesundheit, und das Kranke Krankheit? – Ja. – Nicht wahr also, auch die
Ausübung des Gerechten erzeugt Gerechtigkeit und das des Ungerechten
Ungerechtigkeit? – Ja, nothwendig. – Es besteht aber die Erzeugung der
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